20 Opfer bekannt

Rücktritt im bayrischen Missbrauchskandal

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Ackermann: Die Kirche will allen Hinweisen nachgehen.

Der Missbrauchsskandal im deutschen Benediktinerkloster Ettal (Kreis Garmisch-Partenkirchen) weitet sich aus. Berichten Betroffener zufolge gab es neben Missbrauch auch körperliche Gewalt und Misshandlungen. Schüler hätten von Prügelstrafen berichtet, sagte der bischöfliche Beauftragte für die Prüfung von Missbrauchsvorwürfen, Siegfried Kneißl, am Freitag bei einer Pressekonferenz im Erzbischöflichen Ordinariat in München. Insgesamt gebe es derzeit Vorwürfe des Missbrauchs oder der Misshandlungen gegen vier Patres, von denen einer bereits gestorben sei. Bisher hätten sich etwa 20 mutmaßliche Opfer gemeldet. Es handle sich jedoch um einen "dynamischen Prozess", so dass sich die Zahlen ständig änderten.    

"Handfester Missbrauch"
Staatsanwaltschaftlich ermittelt werde wegen Missbrauchsfällen aus dem Jahr 2005, von dem zwei Schüler als Betroffene berichteten. "Die Vorwürfe sind handfester Missbrauch", sagte Kneißl. Die Schüler hätten sich bereits 2005 an die Internatsleitung gewandt. Sie hätten aber nicht den Eindruck gehabt, dass ihre Angaben in der Form weitergetragen worden seien, wie sie es erwartet hätten, sagte Rechtsanwalt Burkhard Göpfert, der seit Dienstag zusammen mit Kneißl als Ombudsmann eingesetzt ist.

Der Generalvikar des Erzbischofs von München und Freising, Prälat Peter Beer sagte, die Vorwürfe müssten rückhaltlos aufgeklärt und Taten "ohne jeden Kompromiss" geahndet werden.

Strafrechtlich verjährte Fälle
Die meisten der Opfer, die sich seit Dienstag bei Kneißl und Göpfert gemeldet hätten, seien inzwischen erwachsen. Die Fälle stammten aus den 1970er und 1980er Jahren und seien strafrechtlich verjährt. Möglicherweise falle es Erwachsenen leichter, heute über die Vorfälle zu sprechen. Von den derzeitigen Schülern gebe es praktisch keine Meldungen, sie würden aber von dem vom Kloster eingesetzten Sonderermittler Thomas Pfister befragt. Pfister soll bis Freitag kommender Woche einen ersten Sachstandsbericht vorlegen, der auch öffentlich gemacht werden soll.

Bereits 2003 hatten sich bei einem Klassentreffen nach 20 Jahren zwei ehemalige Schüler an mehrere Patres gewandt und Vorwürfe gegen den inzwischen gestorbenen Pater bestätigt. "Die Unterrichtstätigkeit von diesem Pater wurde erst endgültig 2004 beendet. Das heißt, dass aus der Meldung bei dem Klassentreffen 2003 leider keine weiteren Konsequenzen gezogen wurden", sagte Kneissl.

Meldepflicht verletzt
Nach dem Abt Barnabas Bögle trat inzwischen auch der Prior der Abtei und Leiter der Klosterschule, Pater Maurus Kraß, zurück. Beide übernahmen damit die Verantwortung für einen Verstoß gegen die innerkirchliche Meldepflicht derartiger Fälle. Pater Maurus habe es jeweils unterlassen, den Bischöflichen Beauftragten der Erzdiözese über die Vorwürfe zu unterrichten, hieß es im Ordinariat. Die bischöflichen Leitlinien von 2002 sehen laut Ordinariat eine Meldepflicht an den zuständigen Bischofsbeauftragten unabhängig davon vor, ob auch tatsächlich ein Missbrauch vorliegt.

Auch in der Schule des Benediktinerklosters St. Ottilien bei München sowie bei einem früheren Schülerheim der katholischen Ordensgemeinschaft Salesianer Don Bosco in Augsburg gibt es inzwischen Verdachtsfälle, die Jahrzehnte zurückliegen sollen.

Zu sehr abgeschottet
Die Laienbewegung "Wir sind Kirche" und die Sonderbeauftragte des Jesuiten-Ordens, Ursula Raue, warfen der Kirche am Freitag vor, sich bei der Aufarbeitung des Skandals zu sehr abzuschotten. Auch der Dachverband der katholischen Ordensgemeinschaften entschuldigte sich bei den Opfern.

Die Ernennung des Trierer Bischofs Stephan Ackermann zum Sonderbeauftragten sei "ein guter Anfang", sagte Raue im ZDF-Morgenmagazin. Die Anwältin, die im Auftrag des Jesuiten-Ordens Missbrauchsfälle an Schulen des Ordens untersucht, kritisierte aber, dass damit ein Mitglied der Kirchen-Hierarchie ausgewählt wurde. "Wer eingebunden ist in dieses System, hat andere Loyalitäten und muss Rücksichten nehmen, ist unter Umständen berichtspflichtig", gab sie zu Bedenken.

Die Theologin Magdalena Bussmann von der Bewegung "Wir sind Kirche" nannte im WDR das Vorgehen der Bischöfe "halbherzig". Sie vermisse vor allem eine "eindeutige Aussage" zur Koorperation mit der Staatsanwaltschaft. Unterdessen mehren sich die Forderungen nach längeren Verjährungsfristen und härteren Strafen bei sexuellem Missbrauch.

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