Die künftige Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sorgt schon vor Amtsantritt für Schlagzeilen.
In der Debatte um die Bezeichnung des Migrationsressorts in der neuen EU-Kommission als "Schutz unseres europäischen Lebensstils" hat auch der scheidende Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Kritik geübt. "Ich denke, dass das geändert werden muss", sagte Juncker am Donnerstag dem TV-Sender Euronews.
Ihm gefalle die Idee nicht, dass der "Schutz des europäischen Lebensstils" Migration entgegenstehen solle. "Diejenigen zu akzeptieren, die von weit entfernt kommen, ist Teil des europäischen Lebensstils."
Massive Kritik
Die künftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte am Dienstag die Ressortverteilung ihrer künftigen Kommission vorgestellt. Der Grieche Margaritis Schinas wurde dabei als Vize-Präsident für den Bereich "Schutz unseres europäischen Lebensstils" nominiert und soll die Migrations- und Asylpolitik koordinieren.
Die Benennung des Ressorts hat massive Kritik im Europaparlament ausgelöst und von der Leyen den Vorwurf eingebracht, sie biedere sich der extremen Rechten an. Mehrere Fraktionen fordern eine Namensänderung.
Europäische Lebensweise bedeute auch, "dass man die andere respektieren muss, unabhängig davon, was ihre Hautfarbe ist und unabhängig von ihrem ursprünglichen Heimatstaat", sagte Juncker Euronews. Er wisse, dass der Titel "Schutz unseres europäischen Lebensstils" auch nicht den Werten des designierten Kommissars Schinas entspreche, der jahrelang sein Chefsprecher war.
Eine Kommissionssprecherin wies zu Mittag Berichte zurück, dass von der Leyen schon entschieden habe, den umstrittenen Namen aufzugeben. "Ich habe keine Namensänderung anzukündigen", sagte sie. Die künftige Kommission diskutiere derzeit über eine Vielzahl von Themen. In der Namensfrage sei aber "keine schnelle Entscheidung" zu erwarten.
Zu Junckers Äußerung sagte die Sprecherin, der scheidende Kommissionschef habe "nicht die gewählte Kommissionspräsidentin kritisiert". Juncker habe vielmehr ausdrücken wollen, dass er "die Interpretation des Namens dieses Portfolios strikt zurückweist".
ÖVP verteidigt Namen, Neos fordern Änderung
Die ÖVP-Delegationsleiterin im Europaparlament Karoline Edtstadler hat den Titel des Portfolios für den künftigen EU-Migrationskommissar Margaritis Schinas über den "Schutz der europäischen Lebensart" verteidigt. Dagegen fordert die Neos-Europamandatarin Claudia Gamon eine Änderung des Namens.
Edtstadler: "Von der Leyen setzt richtigen und wichtigen Akzent"
Edtstadler erklärte, indem von der Leyen einen Vizepräsidenten mit dem "Schutz der europäischen Lebensart" betraut, setze sie einen richtigen und wichtigen Akzent. "Europa ist von einer jahrhundertelangen christlichen und auch jüdischen Tradition sowie von der Aufklärung geprägt. Unser europäischer Lebensstil und unsere europäischen Werte sind Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Gleichberechtigung, Freiheit, Toleranz und kulturelle Vielfalt. Diese europäische Identität steht dafür, dass wir Menschen helfen, die Hilfe benötigen - und zwar unabhängig von ihrer Herkunft und Religion. Aber wir verlangen auch ganz klar, dass alle Menschen, die nach Europa kommen, unsere Werte beachten und auch leben. Daher müssen wir unsere Außengrenzen effektiv schützen. Dazu gibt es für uns keine Alternative."
Gamon meinte, der "'European Way of Life', den wir beschützen wollen, ist es, in einer freien und toleranten Gesellschaft zu leben". Daher habe der Vorsitzende der Liberalen, Dacian Ciolos, die künftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dazu aufgefordert, den Titel des Portfolios von Margaritis Schinas zu ändern. "Vielfalt und die europäischen Grundwerte sollen im Titel reflektiert sein, um Missverständnisse auszuschließen. Das sehen wir genauso."
SPÖ: "Verunglückte Bezeichnung" muss zurückgenommen werden
Die SPÖ-Europaabgeordnete Bettina Vollath hat die EU-Kommission aufgefordert, die "verunglückte Bezeichnung" des Portfolios für den künftigen EU-Migrationskommissar Margaritis Schinas über den "Schutz der europäischen Lebensart" zurückzunehmen. Der "European Way of Life" sei durch Werte wie Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde verankert.
Deshalb lehne die SPÖ die "irreführende Bezeichnung in Zusammenhang mit Migration ab". Es seien vielmehr die "Orbans und Kaczynskis, die die Grundwerte systematisch verletzen, die antieuropäisch handeln und vor denen wir unseren 'Way of Life' schützen müssen", so Vollath.
Grüne: "Schande für EU"
Die grüne EU-Abgeordnete Monika Vana hat den Titel des Portfolios für den künftigen EU-Migrationskommissar Margaritis Schinas über den "Schutz der europäischen Lebensart als "Schande für die EU" kritisiert. Die Übernahme rechtsextremer Formulierungen und die damit einhergehende unzulässige Pauschalisierung von Migranten als "Gefahr" sei abstoßend.
Dies dürfe keinen Platz in der europäischen Politik haben, so Vana. Der Titel sei trotz entgegengesetzter Aussagen von der künftigen EU-Kommissarin Ursula von der Leyen unmissverständlich. Er beschreibe ein Bild der EU von Abschottung und Fremdenfeindlichkeit. Es gehe nicht um den Schutz einer bestimmten Lebensweise, sondern darum, die Lebensbedingungen für alle in Europa zu verbessern. Wenn man sich die Gewalt gegen Frauen verdeutliche, müsste es sogar eine "Änderung unserer Lebensweise" geben, also genau das Gegenteil.