Staatsfeind Nr. 1

Snowden beantragte Asyl in Ecuador

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Nach Spionage-Enthüllungen: Geheimdienstspezialist floh aus Hongkong.

Der wegen der Enthüllung von Geheimdienstaktivitäten von der US-Justiz gesuchte Computerexperte Edward Snowden will Zuflucht in Ecuador suchen. Der 30-Jährige beantragte nach ecuadorianischen Angaben politisches Asyl in dem südamerikanischen Land und machte sich laut der Enthüllungsplattform Wikileaks bereits auf den Weg dorthin. Die US-Behörden erklärten den Pass Snowdens, der am Sonntag zunächst von seinem Aufenthaltsort Hongkong nach Moskau gereist war, für ungültig.

Der ecuadorianische Außenminister Ricardo Patino teilte im Internet-Kurznachrichtendienst Twitter mit, Snowden habe politisches Asyl in seinem Land beantragt. Wikileaks erklärte: "Er ist über einen sicheren Weg unterwegs nach Ecuador, um Asyl zu bekommen." Der 30-Jährige werde von Diplomaten und Rechtsexperten begleitet.

Die USA haben Medienberichten zufolge Ecuador aufgefordert, Snowden kein Asyl zu gewähren. Washington habe auch Venezuela und Kuba gebeten, den 30-jährigen Geheimdienstspezialisten abzuweisen, berichtete der TV-Sender CNN unter Berufung auf einen hohen Regierungsbeamten. Die Länder sollten Snowden ausweisen, falls er dort einreisen sollte. Auch Venezuela und Kuba waren als Ziele Snowdens im Gespräch. Kuba, Venezuela und Ecuador werden von sozialistischen Präsidenten regiert und bezeichnen sich als "anti-imperialistische" Staaten.

Auslieferung gefordert
Die USA hatten Hongkong zuvor vergeblich aufgefordert, Snowden auszuliefern. Die Behörden von Hongkong, wo Snowden seit Ende Mai untergetaucht war, erklärten nach seiner Abreise, es habe keine ausreichende rechtliche Grundlage für eine Verhaftung gegeben. Washington betrachtet ihn als Spion.

Ein Vertreter der russischen Sicherheitskräfte sagte der Agentur RIA Nowosti, in Russland liege nichts gegen Snowden vor, und es gebe keine Anweisung ihn festzunehmen. Ein Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin hatte Anfang des Monats erklärt, falls Snowden in Russland um Asyl nachsuchen sollte, würde das geprüft.

Flucht über Moskau
Snowden flog am Sonntag an Bord einer Linienmaschine der russischen Fluggesellschaft Aeroflot von Hongkong nach Moskau. Am Flughafen in der russischen Hauptstadt warteten Fahrzeuge der ecuadorianischen Botschaft.

Der ebenfalls von den USA gesuchte Wikileaks-Gründer Julian Assange hält sich seit einem Jahr in der Botschaft Ecuadors in London auf, weil er eine Auslieferung fürchtet. Assange, der in Schweden wegen einer Sexualstraftat vernommen werden soll, hat sich vor längerer Zeit in London in die ecuadorianische Botschaft geflüchtet. Die britische Regierung lässt ihn aber nicht nach Ecuador ausreisen. Die Enthüllungsplattform Wikileaks hatte vor geraumer Zeit zahllose Dokumente über die Aktivitäten von US-Geheimdienste und Diplomaten enthüllt. Snowden hatte das Spähprogramm Prism aufgedeckt, mit dem der US-Geheimdienst NSA Nutzerdaten großer Internetkonzerne wie Google, Facebook und Microsoft auswertet. Für neue Aufregung sorgte ein Interview der britischen Tageszeitung "Guardian" mit Snowden, in dem er Großbritannien vorwirft, beim Ausspähen von Daten "schlimmer als die USA" zu sein. Demnach bespitzeln die Government Communications Headquarters (GCHQ) in London systematisch Telefon- und Internetnutzer in aller Welt und teilen ihre Erkenntnisse mit den US-Kollegen.

Prism & Tempora

Snowden beschrieb ein schier grenzenloses Überwachungsprogramm mit dem Decknamen "Tempora". Von ihm vorgelegte Dokumente sollen beweisen, dass GCHQ sich heimlich Zugang zu mehr als 200 Glasfaserkabeln verschafft hat, über die der weltweite Telekommunikationsstrom läuft.

Ebenfalls unter Berufung auf Snowden berichtete eine Hongkonger Zeitung, die US-Regierung zapfe auch chinesische Mobilfunkanbieter an. Dabei sollen Daten von Millionen SMS gesammelt worden sein. Die Regierung in Peking zeigte sich "ernsthaft besorgt"

Am Freitag hatte die US-Justiz den 30-Jährigen offiziell der Spionage beschuldigt, einen Haftbefehl ausgestellt und die Auslieferung verlangt.

Am Sonntag verlautete aus informierten Kreisen in Washington, die USA hätten Snowdens Pass für ungültig erklärt. Eine Sprecherin des US-Außenministeriums, Jen Psaki, bestätigte dies während eines Besuchs von Außenminister John Kerry in Neu Delhi. Dies sei in solchen Fällen eine Routine-Angelegenheit. Snowden müsse an der Weiterreise gehindert werden, sagte sie.

 

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