Gesetz zu Streitkräften soll nach Geschmack von Vučić ergänzt werden - Personaländerungen bei der Polizei
Während Serbien seit gut einem Jahr im Aufruhr steckt, scheint Präsident Aleksandar Vučić gerade dabei zu sein, seine Machtposition weiter auszubauen. So hatte die Regierung vor wenigen Tagen eine Ergänzung des Gesetzes zu den Streitkräften angenommen, durch die Vučić praktisch zum obersten Befehlshaber wird, wie ihn einige seiner engsten Mitarbeiter schon seit einigen Jahren mit Vorliebe bezeichnen.
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Die Gesetzesergänzung, die vom Parlament wohl bald bestätigt werden soll, sieht vor, dass der Generalstabschef und die Offiziere der Streitkräfte diese im Einklang mit dem Gesetz und den Beschlüssen des Präsidenten zu leiten hätten. Im noch geltenden Gesetzestext wird der Präsident in diesem Zusammenhang nicht erwähnt.
Zurück in die Neunziger
Nach Ansicht des Belgrader Militäranalysten Aleksandar Radić würde man durch die Gesetzesergänzung praktisch zum Modell der Neunzigerjahre zurückkehren, als der Generalstab dem damaligen Staatschef Slobodan Milosevic untergeordnet war.
Der pensionierte General Momir Stojanović hält die Gesetzesergänzung für "absurd". Serbien sei doch ein Land mit parlamentarischem Regierungssystem, argumentierte er gegenüber Medien. Dies mag stimmen, aber nur auf dem Papier. Denn in Serbien ist den meisten Menschen längst klar, dass es keine Entscheidung ohne den Segen des Präsidenten geben kann.
Kandidat fiel durch Gewalt gegen Protestierende auf
Dies gilt natürlich nicht nur für die Streitkräfte. Die jüngsten Personaländerungen bei der Polizei lassen nämlich vermuten, dass diese nun unter voller Kontrolle des Staatschef stehen soll. "Der Weg der Verwandlung der Polizei in eine Zweigstelle der Fortschrittlichen (der regierenden Serbischen Fortschrittspartei, Anm.), der 2014 eingeschlagen wurde, steht kurz vor dem Abschluss", stellte die regierungskritische Zeitschrift "Radar" dieser Tage fest. Die jüngsten Personaländerungen würden demnach davon zeugen, dass es nicht einmal mehr eine scheinbare Professionalität gebe. Die unbestreitbare Erfüllung von Wünschen Vučićs wäre das Kriterium bei der Auswahl der führenden Polizeifunktionäre, so die Zeitschrift.
So soll laut "Radar" der derzeitige Befehlshaber der Einheit zum Schutz von Objekten (JZO) Marko Kričak neuer Chef der Direktion der Kriminalpolizei werden (UKP). Unter den Studenten und Oppositionsanhängern, die seit einem Jahr demonstrieren, genießt gerade Kričak den Ruf eines jener Polizeifunktionäre, die durch ihre Brutalität gegenüber den Demonstranten aufgefallen sind.
Fragwürdige Erweiterung des Wählerverzeichnisses
Nach Angaben von Ivan Ćalović, einem oppositionellen Gemeinderat in der westserbischen Kleinstadt Čačak, ist indes das städtische Wählerverzeichnis zwischen Mai und Oktober um gut 1.000 neue Wähler ergänzt worden. Die meisten von ihnen sollen demnach aus Višegrad, einer Kleinstadt in der bosnischen Republika Srpska, stammen. Wie Ćalović feststellte, seien sogar 138 Neueinwohner in nur zwei Familienhäusern angemeldet worden.
Die Behauptungen des Gemeinderats lassen an die vergangenen Parlamentswahlen Ende 2023 denken, als am Urnengang etliche Stimmberechtigte aus der Republika Srpska teilnahmen. Viele von ihnen, deren Anreise mit Bussen organisiert worden war, hatten damals laut Medienberichten gar nicht gewusst, wo sich ihre angebliche serbische Wohnadresse befand. Sie seien gekommen, um für Vučić abzustimmen, beteuerten etliche von ihnen. Dabei stand das Präsidentenamt gar nicht zur Wahl.