Nach Brexit

Trotz Sieg: May erklärt baldigen Rücktritt

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Theresa May überstand Misstrauensabstimmung um Parteivorsitz 

Die britische Premierministerin Theresa May hat die Misstrauensabstimmung um ihr Amt als konservative Parteichefin gewonnen. Das teilte der Vorsitzende des zuständigen Parteikomitees, Graham Brady, am Mittwochabend mit.
 
Video zum Thema: Brexit-Chaos: May überlebt Misstrauensvotum
 

Klare Mehrheit

May erhielt die Stimmen von 200 der 317 konservativen Abgeordneten im Unterhaus. Sie kann damit als Parteichefin und Premierministerin weitermachen. Für May ist das dennoch kaum ein Grund zum Feiern. Sie muss weiterhin ihren Brexit-Deal durchs Parlament bringen.
 
Sie kann nun damit rechnen, dass 117 Abgeordnete ihrer eigenen Partei dabei nicht mitspielen werden. Angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse im Parlament ist das ein desaströses Ergebnis.
 
May rief nach der Abstimmung ihre Partei zur Geschlossenheit auf angesichts des bitteren Streits über den Ausstieg aus der Europäischen Union. Politiker aller Seiten müssten nun zusammenkommen, sagte sie vor ihrem Amtssitz. Sie räumte ein, dass eine "bedeutende" Anzahl der Abgeordneten gegen sie gestimmt habe. Jetzt komme es allerdings darauf an, den Brexit zu liefern.
 
Sie wolle nun "rechtliche und politische Rückversicherungen" hinsichtlich der Backstop genannten Garantie für eine offene Grenze zwischen Nordirland und Irland suchen, wenn sie am Donnerstag zum EU-Gipfel nach Brüssel reise. Die Regelung im Brexit-Vertrag ist bei britischen Abgeordneten heftig umstritten.
 
Die nordirische Partei DUP kündigte nach der Abstimmung an, ein Misstrauensvotum gegen May im Unterhaus nicht mitzutragen. Sollte das Brexit-Abkommen in seiner jetzigen Form durchkommen, könne sich dies aber ändern, sagte Parteivize Nigel Dodd.
 

Brexit-Hardliner

Hinter dem Misstrauensantrag gegen May standen hauptsächlich die Brexit-Hardliner ihrer Fraktion um den erzkonservativen Hinterbänkler Jacob Rees-Mogg. Das Ergebnis sei "schrecklich", sagte er nach der Abstimmung. "Sie muss dringend zur Queen gehen und zurücktreten."
 
Das britische Pfund blieb nach dem Misstrauensvotum im Plus. Es war gestiegen, als sich abzeichnete, dass May die Abstimmung wohl gewinnen würde.
 
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zeigte sich auf Twitter "froh" über das Ergebnis der Misstrauensabstimmung. Er freue sich, dass er die britische Regierungschefin Theresa May am Donnerstag beim EU-Gipfel treffe. "Unser gemeinsames Ziel ist es, ein No-Deal-Szenario zu verhindern", schrieb der Kanzler am Mittwochabend.
 
EU-Minister Gernot Blümel (ÖVP) gratulierte der britischen Regierungschefin und zollte ihr "Respekt". Sie sei eine "starke Verhandlungspartnerin, die nicht an sich, sondern an das Beste für die Zukunft ihres Landes und das künftige Verhältnis mit der EU denkt", hieß es in einer der APA am Abend übermittelten Stellungnahme. "Die Chance auf ein einvernehmliches Austrittsabkommen lebt", so Blümel.
 

Baldiger Rücktritt

Ausgelöst wurde der Aufstand durch den Streit über das Brexit-Abkommen, das die Unterhändler Großbritanniens und der EU in Brüssel ausgehandelt hatten. Die Brexit-Hardliner um Rees-Mogg befürchten, dass Großbritannien durch das Abkommen dauerhaft eng an die Europäische Union gebunden wird. In weniger als vier Monaten - am 29. März - will das Land aus der Staatengemeinschaft ausscheiden.
 
Kurz vor dem Beginn des Wahlgangs hatte sich die Regierungschefin mit einer Ansprache an ihre Parteifreunde gewandt. "Kraftvoller und bewegender Moment", schrieb ein Abgeordneter auf Twitter über den Auftritt Mays hinter verschlossenen Türen. Die Premierministerin habe klar gemacht, dass sie zurücktreten werde, sobald der Brexit vollzogen sei. Minister berichteten, May habe in Aussicht gestellt, nicht mehr bei der nächsten regulären Parlamentswahl 2022 anzutreten.
 
May hatte eine für Dienstag angesetzte Abstimmung über ihren Brexit-Deal auf Eis gelegt, weil sie auf eine sichere Niederlage zusteuerte. Das brachte das Fass zum Überlaufen. Einen neuen Termin für die Abstimmung gibt es bisher noch nicht. May kündigte lediglich an, dass sie vor dem 21. Jänner stattfinden soll. Wie sie ihr Brexit-Abkommen durchs Parlament bekommen will, ist trotz überstandenen Putschversuchs völlig unklar.
 

EU-Gipfel

Am Donnerstag beschäftigt sich der EU-Gipfel noch einmal mit den britischen Austrittsplänen. Bundeskanzler Kurz und die übrigen Staats- und Regierungschefs wollen dazu beitragen, dass der fertige EU-Austrittsvertrag eine Mehrheit im britischen Parlament findet. Kurz sah dennoch einen "gewissen Spielraum", wie er vor der Misstrauensabstimmung sagte. "Es gibt ein paar Themen, vor allem das künftige Verhältnis betreffend, auch zum Beispiel die Frage, wann endet der Backstop."
 
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel betonte am Mittwoch im Bundestag, man arbeite hart, um einen ungeregelten Brexit ohne Vertrag zu vermeiden. Ratschef Donald Tusk stellte aber in seinem Einladungsbrief an die EU-Staats- und Regierungschefs auch klar, dass man sich nun verstärkt für ein solches Szenario wappne. "Da die Zeit davonrennt, werden wir auch den Stand der Vorbereitung für ein No-Deal-Szenario diskutieren", schrieb Tusk. Er bezeichnete die Situation in Großbritannien als ernst.
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