Seit Verkündung der Teilmobilmachung

Bereits 260.000 Russen vor Einberufung geflüchtet

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Kremlchef Wladimir Putin ordnete vor fünf Tagen eine Teilmobilmachung in Russland an. Seither flüchteten bereits 260.000 russische Männer aus dem Land.

Vor fünf Tagen hat der russische Präsident Wladimir Putin die Teilmobilisierung von 300.000 Reservisten angeordnet, um nach den Niederlagen der russischen Armee in der Ukraine die dort noch besetzten Gebiete zu halten. Die Teilmobilisierung löste bei vielen Russen Panik aus – es kam zu Demos, Verzweiflungshandlungen und Flucht vor allem in Nachbarstaaten. 

Laut der Zeitung "Nowaya Gazeta" sind in diesen fünf Tagen bereits 260.000 russische Männer aus dem Land geflohen. Das russische Medienunternehmen "The Bell" schreibt des Weiteren davon, dass ersten Männern an Flughäfen und Grenzübergängen die Ausreise verweigert wird.

Staus zu Georgien

Wie Sky-News berichtet, ist der Stau an der russisch-georgischen Grenze inzwischen so groß, dass viele Russen ihre Fahrzeuge einfach stehen lassen und zu Fuß nach Georgien flüchten. Bereits am Sonntag musste mit Wartezeiten von bis zu 48 Stunden gerechnet werden.

Satelliten-Bilder vom Sonntag zeigen einen Riesen-Stau in der Nähe der russisch-georgischen Grenze:

Bereits 260.000 Russen vor Einberufung geflüchtet
© AFP/APA
× Bereits 260.000 Russen vor Einberufung geflüchtet

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An der Grenze südlich von Wladikawkas stauten sich nach Angaben der regionalen Behörden am Dienstag rund 5.500 Fahrzeuge, darunter etwa 3.600 Personenwagen.

Das Innenministerium der russischen Teilrepublik Nordossetien erlaubte den Menschen, die Grenze zu Fuß zu überqueren. Zugleich teilten die Behörden nach Angaben der staatlichen russischen Nachrichtenagentur TASS mit, dass an der Grenze in Kürze ein Einberufungszentrum für den Krieg in der Ukraine eingerichtet werden solle.

100.000 Russen nach Kasachstan gereist  

Zehntausende Russen haben seit der Teilmobilmachung des russischen Militärs vor knapp einer Woche das Land verlassen. Allein nach Kasachstan seien seit dem 21. September rund 98.000 russische Staatsbürger eingereist, teilte die Migrationsbehörde des kasachischen Innenministeriums am Dienstag nach Angaben der Agentur Interfax mit.

Mehr als 8000 Russen erhielten demnach eine persönliche Identifikationsnummer, die Voraussetzung für eine Registrierung und die Eröffnung von Bankkonten in dem zentralasiatischen Land ist. Seit Anfang April hätten bereits mehr als 93.000 russische Staatsbürger Identifikationsnummern und mehr als 4.000 eine Aufenthaltserlaubnis für Kasachstan bekommen. Russland hatte am 24. Februar den Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen.

Um der Einberufung zu entgehen, greifen manche Menschen in Russland zu verzweifelten Handlungen. So haben sich, laut dem russischen Portal "Meduza", im Zuge der Rekrutierungen bereits elf Menschen in Russland selbst angezündet.

Kein Ansturm auf Österreichs Botschaft 

Die vom russischen Präsidenten Wladimir Putin am 21. September verkündete Teilmobilmachung hat an der österreichischen Botschaft in Moskau zu keinem merklichen Anstieg von Visaanträgen geführt. Dies erklärte am Montagabend eine Sprecherin des österreichischen Außenministeriums auf APA-Anfrage. 

"Die Antragszahlen an der Botschaft bewegten sich im angefragten Zeitraum (seit dem 21. September, Anm.) im niedrigeren zweistelligen Bereich", informierte die Außenamtssprecherin. Im August seien an der österreichischen Botschaft 603 Visa, zwischen 1. und 23. September insgesamt 460 Visa ausgestellt worden, spezifizierte sie.

Schengen-Dauervisa

In den letzten Tagen war freilich selbst ein österreichisches Visum keine Garantie, aus Russland einfach nach Österreich reisen zu können: Mit einem üblichen Schengenvisum vom Typ C, das einen Maximalaufenthalt von 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen in der Schengenzone und damit auch in Österreich vorsieht, war über den Landweg die direkte Ausreise in die Schengenzone lediglich noch über einen einzigen Grenzübergang im hohen Norden nach Norwegen sowie einstweilen noch nach Finnland möglich. Estland, Lettland, Litauen und Polen lassen seit dem 19. September russische Staatsbürger aus Russland nur noch mit Schengen-Dauervisa einreisen, für deren Ausstellung es vergleichsweise hohe bürokratische Hürden gibt.

Angesichts von Gerüchten, dass Russland männlichen Staatsbürgern bereits in den nächsten Tagen die Ausreise ohne individuelle Bewilligung der Einberufungsbehörden generell untersagen könnte, kosteten einfache Flugtickets aus Russland in visafreie Staaten zuletzt bis zu 10.000 Euro. An Landgrenzen zu südlichen Nachbarstaaten wie Georgien kam es bei der Ausreise zu kilometerlangen Staus sowie zu tagelangen Wartezeiten. Russische Grenzer versagten laut Medienberichten zudem einer wachsenden Zahl an Männern den Grenzübertritt.

Proteste gegen Teilmobilmachung in Russland 

Die von Kremlchef Wladimir Putin angeordnete Teilmobilmachung im Angriffskrieg gegen die Ukraine hat am Wochenende für weiteren Ärger und neue Proteste in Russland gesorgt. In der Teilrepublik Dagestan im Kaukasus gingen Polizisten nach Angaben von Bürgerrechtlern mit Warnschüssen gegen Demonstranten vor. Am Samstag wurden bei Anti-Kriegs-Protesten in über 30 russischen Städten mehr als 780 Menschen festgenommen, wie die unabhängige Organisation OVD-Info berichtete.

Russische Parlamentsspitzen kritisieren Teilmobilisierung 

Zwei Spitzenvertreter des russischen Parlaments und enge Verbündete von Präsident Wladimir Putin zeigen Verständnis für die zahlreichen Beschwerden über die Kampagne zur Mobilisierung Hunderttausender Soldaten. Walentina Matwijenko, die Vorsitzende des Föderationsrats, des Oberhauses des russischen Parlaments, verwies auf Berichte, wonach auch Männer einberufen wurden, die von der kürzlich verkündeten Teilmobilisierung eigentlich nicht betroffen sein dürften.

"Solche Auswüchse sind absolut inakzeptabel. Und ich halte es für absolut richtig, dass sie eine scharfe Reaktion in der Gesellschaft auslösen", schrieb sie am Sonntag auf Telegram. Die Regionalgouverneure Russlands seien für die Umsetzung verantwortlich. Sie müssten sicherstellen, dass die Kriterien der Teilmobilisierung vollständig und fehlerfrei beachtet würden. Wjatscheslaw Wolodin, der Vorsitzende des Unterhauses, der Duma, wiederum erklärte, dass Fehler, sollten sie gemacht worden sein, korrigiert werden müssten. "Behörden auf allen Ebenen sollten sich ihrer Verantwortung bewusst sein."

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