"ÖSTERREICH" begleitete Reise ins Kriegsgebiet

Kanzler in Ukraine: "Tote nie vergessen"

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Den Kanzler begleitete ÖSTERREICH-Reporterin Isabelle Daniel in die Ukraine.

Kiew. „Es ist der prägendste Moment meiner politischen Karriere“, sagt Karl Nehammer, als er am Südbahnhof in Kiew aus dem Zug steigt. Überall stehen schwer bewaffnete Soldaten. Per Konvoi wird die österreichische Delegation in das Regierungsviertel und dann zum Hintereingang des Präsidentenpalasts gebracht.

Überall sieht man Sandsäcke, Checkpoints und Militär. Kiew ist fest unter Kontrolle der Ukrainer. Es herrscht permanente Alarmstimmung. Die Journalisten müssen Handys, iPads und Apple-Watches abgeben. Zu groß die Angst, dass Wladimir Putins Söldner sonst den genauen Aufenthalt von Selenskyj orten und Mörder schicken. Drei Attentaten sei er schon entgangen.

Die politische Delegation Nehammers trägt ebenso wie der Kanzler schusssichere Westen. Knapp 45 Minuten unterhalten sich Wolodymyr Selenskyj und Nehammer unter vier Augen. Dann treten sie vor die Presse – beide ohne schusssichere Westen: „Ich bedanke mich für diesen Besuch. Es ist wichtig, dass EU-Politiker hier sind und die Folgen des russischen Angriffskrieges sehen“, sagt Selenskyj. – „Wir sind ein militärisch neutrales Land. Aber gegenüber Verbrechen kann man nicht politisch neutral sein. Wir schauen hin und nicht weg“, sagt Nehammer.

Kanzler in Ukraine:
© BUNDESKANZLERAMT/DRAGAN TATIC
× Kanzler in Ukraine:
Hemdsärmelige Staatschefs. Selenskyj im Heeres-Outfit. Nehammer in Pullover ohne Krawatte.

Selenskyj wirkt müde, aber er beobachtet die Reaktionen ganz genau. Nur einmal wirkt er versteinert. Ein ukrainischer Journalist fragt Nehammer: „Wie viele Gräueltaten braucht es noch, bis Österreich ein Gas-Embargo unterstützt?“ Nehammer antwortet: „Wenn Menschen sterben, ist keine Sanktion genug.“ Aber ein Gas-Embargo würde Österreich mehr schaden als Russland.

Kanzler zündet in Butscha Kerze für die Opfer an

Paket. Der VP-Regierungschef hat dafür ein „Unterstützungspaket“ für Selenskyj und den Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko, den er am späten Nachmittag treffen sollte, im Gepäck. Österreich wird u. a. 20 Rettungsautos schicken. Weiters werden die Botschaftsmitarbeiter nach Kiew zurückkehren.

Schrecken. Nach einer Viertelstunde ist die Pressekonferenz vorbei. Es geht nach Butscha. Dort kann Selenskyj aus Sicherheitsgründen nicht dabei sein. In Kiews Vorort Butscha zeigte man Nehammer die Schrecken des Krieges: Es ist eine Spur der Verwüstung, die man am Ort des Massakers sieht. Ausgebrannte Häuser, überall zerstörte Panzer. Die ganze Straße, durch die Nehammer geführt wird, ist ein Trümmerfeld.

Video zum Thema: Isabelle Daniel bei Lokalaugenschein in Butcha

Kanzler in Ukraine:
© oe24.TV
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Isabelle Daniel in Butscha.

Video zum Thema: Kanzler Nehammer besucht Massengrab in Butscha

Kanzler in Ukraine:
© APA/BUNDESKANZLERAMT/DRAGAN TATIC
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Nehammer betroffen und berührt vor einem Massengrab: „Das ist entsetzlich!“

Der Kanzler wirkt betroffen, als ihm von bis zu 400 Toten ­erzählt wird. Das sei „entsetzlich“ und müsse „restlos aufgeklärt werden“, sagt er ÖSTERREICH. Davor hat man ihm eines von mehreren Massengräbern in der Region gezeigt. Es sind noch Leichen zu sehen. Nehammer geht noch in die kleine Kirche und zündet eine Kerze an. „Für die Toten. Sie werden nicht vergessen.“

Kanzler in Ukraine:
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Nehammer zündet vor Ort eine Kerze für die Opfer an. 

Klitschko-Brüder. Die letzte Station seines Besuchs war ein Treffen mit Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko und dessen Bruder Wladimir Klitschko: „Wir zahlen mit unserem Blut auch für eure Freiheit“, sagen beide glühend und fordern bei ihrem emotionalen Auftritt mit Nehammer ein Gas-Embargo: „Es ist blutiges Geld, das Putin für seinen Krieg verwendet.“

Kanzler in Ukraine:
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Treffen mit Vitali und Wladimir Klitschko vor Abfahrt.

Isabelle Daniel, Kiew

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