Ukriane-Krise

Kreml: Keine Frist für Ende des Krieges

Teilen

Russland hat sich nach eigenen Angaben keine Frist für ein Ende seines Angriffskriegs gegen die Ukraine gesetzt.

Auf die Frage eines Journalisten, ob es einen ungefähren Zeitrahmen für den in Moskau als "militärische Spezial-Operation" bezeichneten Krieg gebe, antwortete Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag der Agentur Interfax zufolge: "Nein." Im Osten der Ukraine gingen unterdessen nach Angaben aus Kiew die Kämpfe um die strategisch wichtige Stadt Lyssytschansk weiter.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte laut Teilnehmerkreisen beim G7-Gipfel in Bayern, dass er auf ein Ende der Invasion noch in diesem Jahr hoffe. Er verwies dabei auf die Härten des Winters, die Gefechte erschwerten.

Dazu sagte Peskow der Agentur Interfax zufolge: "Die ukrainische Seite kann alles vor Ablauf des Tages beenden." Dafür müssten die Bedingungen der russischen Seite erfüllt werden. "Es muss ein Befehl an die nationalistischen Einheiten und an das ukrainische Militär ergehen, die Waffen niederzulegen", sagte der Kremlsprecher.

Die in der Öffentlichkeit geäußerten Forderungen Moskaus zu Beginn des Kriegs bestanden etwa in der Anerkennung der ostukrainischen Separatistengebiete Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten sowie der 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim als russisches Staatsgebiet. Die ukrainische Seite lehnt das ab und hat bereits angekündigt, alle besetzten Gebiete zurückerobern zu wollen.

Russland hat den Krieg gegen das Nachbarland Ende Februar begonnen. Nach den Worten Peskows verläuft die so genannte militärische Spezial-Operation "nach Plan". Internationale Beobachter haben hingegen immer wieder auf einen stockenden Vormarsch Russlands verwiesen.

Der französische Präsident Emmanuel Macron rechnet unterdessen nach eigenen Angaben nicht mit einem baldigen Ende des Ukraine-Kriegs. Keiner glaube, dass der Krieg in den nächsten Wochen oder Monaten ende, sagt Macron zum Abschluss des G7-Treffens in Bayern. Er hoffe auf das Jahresende. "Im Moment ist klar, dass der russische Angriff auf die Ukraine ein Ziel hat - die Aufgabe der Ukraine", sagt Macron.

Im Osten der Ukraine gingen unterdessen nach Angaben aus Kiew die Kämpfe um die strategisch wichtige Stadt Lyssytschansk weiter. Der Feind stürme die Siedlung Wowtschojariwka südwestlich der Stadt, teilte der ukrainische Generalstab am Dienstag früh in seinem Lagebericht mit. Russische Einheiten stehen im Süden bereits am Stadtrand. Gekämpft werde zudem an einer Ölraffinerie. Der "Feind" gebe zudem die Hoffnung nicht auf, eine wichtige Straße zwischen Lyssytschansk und der weiter westlich gelegenen Stadt Bachmut zu kontrollieren, hieß es weiter in dem Lagebericht. Auch dort habe es Artillerieangriffe gegeben. Die Angaben ließen sich nicht von unabhängiger Seite überprüfen.

Lyssytschank ist die letzte große Stadt in der Region unter ukrainischer Kontrolle. Dort sollen noch mehrere Tausend ukrainische Soldaten stationiert sein. Nach ukrainischen Angaben haben russische Truppen neben dem Einsatz von Mörsern und Artillerie auch Luftangriffe in Richtung der Stadt geflogen.

Die Ukraine erhielt nach eigenen Angaben erneut Leichen gefallener Soldaten aus den eigenen Reihen von Russland. "Die Ukraine hat die Körper von 46 heldenhaften Verteidigern für ihre würdige Bestattung zurückgeholt", teilte das Ministerium für Reintegration in Kiew am Dienstag mit. 21 der Leichen seien von Verteidigern des Stahlwerks Azovstal aus dem von russischen Truppen eroberten Mariupol in der Ostukraine.

Die Übergabe habe im südostukrainischen Gebiet Saporischschja stattgefunden. Ob und wie viele Tote an die russische Seite übergeben worden seien, wurde nicht mitgeteilt. Eine russische Bestätigung lag zunächst nicht vor. Tags zuvor hatten Vertreter der abtrünnigen Region Donezk mitgeteilt, dass sie insgesamt 172 Leichen ukrainischer Soldaten auf dem Territorium von Azovstal gefunden hätten.

Die ukrainische Seite teilte zudem mit, dass es einen Gefangenenaustausch gegeben habe. Demnach kehrten 16 ukrainische Soldaten zurück, darunter zwei Offiziere. Fünf von ihnen seien schwer verletzt gewesen und hätten medizinisch behandelt werden müssen. Auch hierzu gab es noch keine Bestätigung von russischer Seite.

Nach dem Raketenangriff auf ein Einkaufszentrum in der ostukrainischen Stadt Krementschuk ist die Zahl der Toten unterdessen auf 18 gestiegen. Das schrieb der Gouverneur des Gebiets Poltawa, Dmytro Lunin, am Dienstag früh im Nachrichtendienst Telegram. Das russische Militär bestätigte unterdessen den Angriff, bestritt aber, dass das Einkaufszentrum in Betrieb gewesen sei. Ziel des Angriffs seien Hallen gewesen, in denen Waffen und Munition aus den USA und Europa gelagert worden seien. Die Detonation der Munition habe dann einen Brand "in einem nicht mehr betriebenen Einkaufszentrum" in der Nähe ausgelöst., teilte das russische Verteidigungsministerium am Dienstag mit.

Die Ukraine hatte dagegen von einem Raketenangriff auf das Einkaufszentrum gesprochen und Russland dafür verantwortlich gemacht. Nach jüngsten Angaben der ukrainischen Behörden wurden mindestens 18 Menschen getötet und 60 verletzt. Am Dienstagvormittag war von 36 Vermissten die Rede. Das Gebäude wurde zu großen Teilen zerstört.

Der G7-Gipfel im bayerischen Schloss Elmau drohte Russland mit Konsequenzen. "Wahllose Angriffe auf unschuldige Zivilisten sind Kriegsverbrechen. Russlands Präsident Putin und die Verantwortlichen werden zur Rechenschaft gezogen werden", hieß es in einer Erklärung der Gipfelteilnehmer am Montagabend.

Am Dienstag beschäftigt die Attacke dann ab 21.00 Uhr MESZ den UNO-Sicherheitsrat. Das Treffen des mächtigsten Gremiums der Vereinten Nationen war auf Bitten der Ukraine anberaumt worden.

Präsident Wolodymyr Selenskyj ersuchte unterdessen den Westen mit Nachdruck um moderne Luftabwehr-Systeme. Die Ukraine habe schon vor dem Krieg und direkt nach der russischen Invasion darum gebeten, betonte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache in der Nacht auf Dienstag. "Die Leute im Einkaufszentrum in Krementschuk verdienten die gleiche Sicherheit wie Leute in jedem Einkaufszentrum der Welt, ob irgendwo in Philadelphia oder Tel Aviv, oder in einer Einkaufspassage in Dresden."

Auch in einem Telefongespräch mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg wies Selenskyj auf die Notwendigkeit eines Raketenabwehrsystem für sein Land hin. Mit einem leistungsfähigen System sollten Angriffe verhindert werden, schrieb Selenskyj auf Twitter.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.