In dem Gebiet rund um die südukrainische Stadt seien bereits 41 Ortschaften befreit, teilte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit.
Mykolajiw/Kiew (Kyjiw). Die Soldaten der Ukraine rücken den bei Cherson abziehenden russischen Einheiten scheinbar unaufhaltsam nach. In dem Gebiet rund um die südukrainische Stadt seien bereits 41 Ortschaften befreit, teilte Präsident Wolodymyr Selenskyj am Donnerstagabend in seiner täglichen Videobotschaft mit. Die Zahl der ukrainischen Flaggen, die im Rahmen der laufenden Verteidigungsoperation "an ihren rechtmäßigen Platz" zurückkehrten, gehe demnach in die Dutzenden.
Allein seit Mittwoch seien ukrainische Verbände bis zu sieben Kilometer tief in ehemals von Russen besetztes Gebiet vorgestoßen, berichtete der Oberkommandierende der ukrainischen Streitkräfte, Walerij Saluschnyj. Nach Darstellung des Generalstabs in Kiew zogen die russischen Militärs nur langsam ab, um ihre Verteidigungslinien am linken Ufer des Dnipro zu verstärken.
Wie der ukrainische Gouverneur des Gebietes Mykolajiw, Witalij Kim, berichtete, sei der Ort Tschornobajiwka bereits unter ukrainischer Kontrolle. Nähere Angaben machte er zunächst nicht. "Wir schweigen weiterhin, denn all dies ist Sache des Militärs." Freitag ist der 261. Tag des Krieges.
Selenskyj warnte vor Gefahren
Selenskyj warnte vor Gefahren in den von den Besatzern aufgegebenen Gebieten. "Die erste und grundlegende Aufgabe ist die Minenräumung", sagte er. Die Besatzer ließen tausende Blindgänger und Munition zurück. "Ich habe oft Schätzungen gehört, dass die Räumung der Ukraine von russischen Minen Jahrzehnte dauern wird." Noch rund 170.000 Quadratkilometer des Landes seien demnach minenverseucht.
Der Staatschef der Ukraine wies darauf hin, dass die aktuellen Erfolge der ukrainischen Streitkräfte "durch Monate brutalen Kampfes" erreicht worden seien. "Es ist nicht der Feind, der geht - es sind die Ukrainer, die die Besatzer verjagen", sagte Selenskyj. "Und wir müssen den ganzen Weg gehen - auf dem Schlachtfeld und in der Diplomatie - damit überall in unserem Land, entlang unserer gesamten international anerkannten Grenze, unsere Flaggen - ukrainische Flaggen - zu sehen sind. Und keine feindlichen Trikoloren mehr."
"Intensität der Kämpfe hat nicht nachgelassen"
Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar sprach von einem nur langsamen Vorrücken ukrainischer Truppen im Osten und Süden des Landes. Auch wenn viele Menschen "explosive Neuigkeiten" von den Fronten erhofften, gehe es vorerst langsam voran, dies sei eben die Dynamik des Krieges. "Im Moment herrscht eine andere Dynamik und andere Phase der Kampfhandlungen", sagte sie am Donnerstagabend im Fernsehen. "Aber die Intensität der Kämpfe hat nicht nachgelassen."
US-Präsident Joe Biden zeigt sich wenig optimistisch in Bezug auf ein baldiges Ende des Krieges in der Ukraine. Vor seiner Abreise zu einer Auslandsreise gab sich Biden vor Reportern im Weißen Haus eher pessimistisch, als er zu den Aussichten auf eine baldige Beilegung des Konfliktes gefragt wurde: "Ich glaube nicht, dass der Konflikt gelöst werden kann, solange Putin nicht aus der Ukraine verschwindet."
Mit Blick auf mögliche Verhandlungen mit Russland übt die US-Regierung nach eigenen Angaben keinen Druck auf die Ukraine aus. "Wir beharren nicht auf bestimmten Dingen, sondern wir beraten als Partner", sagte der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan am Donnerstag im Weißen Haus. Kiew hatte am Vortag ein neues Verhandlungsangebot aus Moskau auf Basis "der aktuellen Lage" abgelehnt. Als Voraussetzung für Gespräche mit Moskau verlangt die ukrainische Führung einen vollständigen Abzug der russischen Truppen.