Ukraine-Krise

Skepsis gegenüber Russlands Signalen der Deeskalation

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Russlands Ankündigung einer teilweisen Deeskalation im Krieg in der Ukraine stößt auf immer mehr Skepsis.

"Wir Ukrainer sind keine naiven Menschen", sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj am späten Dienstagabend. Man habe gelernt, dass man nur darauf vertrauen könne, was tatsächlich passiere, erklärte er mit Blick auf weiteren russischen Beschuss. Angriffe wurden am Mittwoch aus der Region Tschernihiw und aus Lysytschansk in der Region Luhansk gemeldet. In Kiew blieb es ruhig.

Auch die amerikanische und die britische Regierung sehen als Grund des angekündigten russischen Rückzug etwa nordwestlich der ukrainischen Hauptstadt Kiew vor allem schwere Verluste und den Versuch einer Neugruppierung der Invasionsarmee. "Wir alle sollten uns auf eine Großoffensive gegen andere Gebiete der Ukraine einstellen", sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby. Der britische Vize-Premierminister Dominic Raab sagte am Mittwoch, Russland werde an seinen Taten gemessen, nicht an seinen Worten.

Nach Einschätzung britischer Geheimdienste haben sich einige russische Einheiten nach schweren Verlusten in der Ukraine unterdessen nach Belarus und Russland zurückgezogen, um Nachschub zu organisieren und sich neu aufzustellen. Daran zeigten sich die Schwierigkeiten, die Russland bei seinem Vormarsch in der Ukraine habe, hieß es am in einem morgendlichen Update des britischen Verteidigungsministeriums unter Berufung auf Geheimdienstinformationen. Der teilweise Rückzug erhöhe den Druck auf die im Land verbleibende russische Logistik.

Man rechne damit, dass Moskau seine geschwächte Kampfstärke am Boden durch verstärkte Raketenangriffe kompensieren werde, hieß es weiter. Der von Russland ausgegebene Fokus auf die Gebiete in der Ostukraine sei mutmaßlich "ein stillschweigendes Eingeständnis", dass Moskau Probleme haben, auf anderen Achsen Fortschritte zu erzielen.

"Ich wäre sehr vorsichtig damit, das, was aus Putins Kriegsmaschinerie kommt, für bare Münze zu nehmen", sagte Vize-Premier Raab Times Radio mit Blick auf den russischen Präsidenten. Großbritannien stehe jeglichen Versprechen Russlands sehr skeptisch gegenüber. "Letztendlich müssen sie an ihren Taten gemessen werden und sich aus der Ukraine zurückziehen und sich nicht nur neu in Stellung bringen."

Das russische Bombardement in anderen Teilen der Ukraine ging am Mittwoch weiter. So berichtete der Gouverneur der Region Luhansk im Osten der Ukraine von schwerem russischen Artilleriebeschuss von Wohngebieten in der Ortschaft Lysytschansk. "Einige Hochhäuser wurden beschädigt", schrieb Serhij Gaidai auf Telegram. "Viele Gebäude sind eingestürzt. Rettungskräfte versuchen, die noch Lebenden zu retten."

In der Hauptstadt Kiew war die Nacht nach Angaben ihres stellvertretenden Bürgermeisters relativ ruhig. Außerhalb der Stadt sei Beschuss zu hören gewesen. Die Stadt selber sei jedoch nicht bombardiert worden.

Bei den Friedensgesprächen zwischen Russland und der Ukraine in Istanbul hatte es am Dienstag Fortschritte gegeben. So hatte die Ukraine ihre Neutralität und den Verzicht auf einen NATO-Beitritt angeboten. Zudem war von einer 15-jährigen Übergangsregel für die von Russland 2014 annektierte ukrainische Halbinsel Krim die Rede. Als vertrauensbildende Maßnahme kündigte das Verteidigungsministerium in Moskau daraufhin an, die militärische Aktivität rund um die Städte Kiew und Tschernihiw drastisch zu verringern - allerdings nur dort.

Die Region Tschernihiw steht trotzdem weiter unter Beschuss der russischen Truppen. "Glauben wir der Ankündigung? Natürlich nicht", schreibt Gouverneur Wiatscheslaw Tschaus auf dem Messengerdienst Telegram. "Die 'verminderten Aktivitäten' zeigt der Feind in der Region Tschernihiw mit Angriffen auch aus der Luft auf Nischyn und die ganze Nacht über auf die (Stadt) Tschernihiw."

Wegen des Krieges haben Russlands Behörden unterdessen die Flugverbote im Süden des eigenen Landes zum sechsten Mal verlängert - diesmal bis zum 7. April. Insgesamt elf Flughäfen blieben weiterhin gesperrt, darunter der im Schwarzmeer-Kurort Anapa, in Rostow am Don und in der Großstadt Krasnodar, teilte die Luftfahrtbehörde Rosawiazija am Mittwoch mit. Auch die Flughäfen von Gelendschik, Woronesch sowie in Simferopol auf der 2014 annektierten ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim sind demnach weiter von Luftraumbeschränkungen betroffen.

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