Bürgermeister Wadym Liach meldete ''massiven'' russischen Beschuss in der ostukrainischen Stadt. Mindestens zwei Menschen wurden dabei nach ukrainischen Angaben getötet.
Kiew (Kyjiw)/Moskau. Die russischen Streitkräfte sind am Dienstag in der ukrainischen Donbass-Region weiter vorgerückt und haben dabei insbesondere die Stadt Slowjansk ins Visier genommen. Bürgermeister Wadym Liach meldete "massiven" russischen Beschuss in der ostukrainischen Stadt. Mindestens zwei Menschen wurden dabei nach ukrainischen Angaben getötet. Der russische Angriff auf Slowjansk in der Provinz Donezk richtete sich laut dem Bürgermeister gegen den zentralen Markt der Stadt.
"Slowjansk! Massives Bombardement der Stadt. Im Zentrum, im Norden. Alle in die Luftschutzkeller", schrieb Liach auf Facebook. Zwei Menschen wurden dabei nach Angaben des Gouverneurs von Donezk, Pawlo Kyrylenko, getötet, sieben weitere verletzt. Die Stadt steht bereits seit Tagen unter Raketenbeschuss. Nach der Einnahme der nahe gelegenen Stadt Lyssytschansk rücken die russischen Truppen bei ihrem Vormarsch im Donbass nun auf Slowjansk und Kramatorsk vor, die beiden größten Städte in der Region, die noch unter ukrainischer Kontrolle stehen.
Die russische Armee bombardierte nach eigenen Angaben auch zwei ukrainische Kommandozentralen in Donezk. Auch die Stadt Charkiw im Nordosten des Landes steht weiter unter russischem Beschuss. In den vergangenen 24 Stunden wurden dort nach Kreml-Angaben bei russischen Angriffen bis zu 150 ukrainische Soldaten getötet.
Bachelet forderte Ende des "unerträglichen" Leids
Die UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet forderte am Dienstag ein Ende des "unerträglichen" Leids der Zivilbevölkerung in der Ukraine. "Im Namen jedes Opfers dieses sinnlosen Kriegs: Die Tötungen, die Folter, die willkürlichen Festnahmen müssen aufhören", sagte sie. Es gebe "erhebliche Befürchtungen, dass Angriffe der russischen Streitkräfte nicht mit dem humanitären Völkerrecht vereinbar sind", fügte sie hinzu. In einem "wesentlich geringeren Umfang" treffe dies auch auf ukrainische Truppen im Osten des Landes zu.
Moskau warf Kiew am Dienstag Folter von Kriegsgefangenen vor. So habe ein Soldat berichtet, dass ihn ukrainische Ärzte ohne Betäubung behandelt sowie "geschlagen und mit Strom gefoltert" hätten, teilte das staatliche Ermittlungskomitee mit und kündigte eine Untersuchung an. Russland und die Ukraine hatten vergangene Woche je 144 Kriegsgefangene ausgetauscht.
Zuletzt waren auch Befürchtungen aufgekommen, dass sich das mit Russland verbündete Belarus militärisch in den Krieg einschalten könnte. Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko hatte der Ukraine am Sonntag Raketenangriffe auf sein Land vorgeworfen.
Selenskyj geht nicht von Eingreifen des Nachbarlandes Belarus aus
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj geht jedoch nicht von einem Eingreifen des Nachbarlandes Belarus in den Krieg mit Russland aus. "Wir glauben, dass Belarus sich nicht in diesen Krieg hineinziehen lassen wird", sagte er am Dienstag.
Auch die im Exil lebende belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja hält ein militärisches Eingreifen für unwahrscheinlich. Die Armee sei "extrem demoralisiert", sagte sie in Warschau am Dienstag. Zudem gelte die Ukraine als "befreundete Nation".
Die ukrainische Regierung zeigte sich indes zuversichtlich, die russische Offensive stoppen zu können. "Das ist der letzte Sieg für Russland auf ukrainischem Territorium", sagte der ukrainische Präsidentenberater Olexij Arestowytsch in einer Video-Botschaft mit Blick auf den Fall der Städte Lyssytschansk und Sjewjerodonezk. Die Einnahme der beiden letzten Städte in der Region Luhansk bedeute, dass 60 Prozent der russischen Streitkräfte im Osten gebunden seien und es für Russland schwierig sei, sie in den Süden zu verlegen, sagte Arestowytsch. Zudem hätten die russischen Streitkräfte hohe Verluste erlitten. "Und es gibt keine Kräfte mehr, die aus Russland herangeschafft werden können. Sie haben einen hohen Preis für Sjewjerodonezk und Lyssytschansk bezahlt", sagte er.
Arestowytsch: Gegenoffensive im Süden des Landes sei möglich
Arestowytsch sagte weiter, dass eine Gegenoffensive im Süden des Landes möglich sei. Dies hänge auch von den zugesagten westlichen Waffenlieferungen ab, mit denen die Schlagkraft der ukrainischen Streitkräfte erheblich erhöht werden soll. "Es kommt darauf an, wie schnell der Nachschub kommt", erklärte er.
Für Aufregung sorgte indes eine neue Anordnung des ukrainischen Verteidigungsministeriums, wonach Männer zwischen 18 und 60 Jahren ihren Wohnort nicht mehr verlassen dürfen. Unter einem Facebook-Eintrag dazu gab es innerhalb kürzester Zeit hunderte wütende Kommentare. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass zahlreiche Ukrainer nicht an ihrem Meldeort leben. Seit Beginn des russischen Einmarsches sind Zehntausende Wehrpflichtige in sicherere Gebiete im Westen der Ukraine geflohen, das Verlassen des Landes ist ihnen untersagt.
Während das russische Parlament in erster Lesung zwei Gesetzesentwürfe annahm, die Zwangslieferungen und erzwungene Feiertagsarbeit bei Unternehmen ermöglichen sollen, dementierte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu, dass Wehrpflichtige in die Ukraine geschickt werden sollen. Darüber wird seit Wochen spekuliert. Russland rekrutiert jedes Jahr rund 400.000 junge Männer zu einem einjährigen Militärdienst. Ihre Behandlung ist ein heikles innenpolitisches Thema.