Russland rüstet sich offenbar gegen eine ukrainische Offensive im Süden des Landes.
Wie ein hochrangiger Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in der Nacht auf Donnerstag mitteilte, unternimmt Russland eine "massive Verlegung" von Truppen in Richtung der drei südlichen Regionen Cherson, Melitopol und Saporischschja. Oleksyj Arestowytsch bestätigte zudem Angaben prorussischer Kräfte, wonach das zweitgrößte Kraftwerk des Landes in russischer Hand ist.
Die ukrainische Armee teilte am Donnerstag in der Früh mit, dass am Vortag bei Angriffen in der Südukraine 66 russische Soldaten, drei Panzer und weitere militärische Ausrüstung zerstört worden seien. Die ukrainische Luftwaffe habe fünf Angriffe gegen russische Stellungen in den Gebieten Beryslaw und Cherson durchgeführt, russische Artillerieangriffe hätten "keinen Erfolg" gehabt.
Gegenoffensive im Gebiet Cherson
Die ukrainische Gegenoffensive im Gebiet Cherson im Süden des Landes nimmt indes nach britischer Einschätzung Fahrt auf. "Ihre Streitkräfte haben höchstwahrscheinlich einen Brückenkopf südlich des Flusses Inhulez errichtet, der die nördliche Grenze des von Russland besetzten Cherson bildet", teilte das Verteidigungsministerium in London am Donnerstag mit. Der Inhulez ist ein Nebenfluss des Stroms Dnipro.
Mithilfe vom Westen gelieferter Artillerie hätten die ukrainischen Streitkräfte mindestens drei Brücken über den Dnipro beschädigt, auf die Russland angewiesen sei, um seine besetzten Gebiete zu versorgen, hieß es unter Berufung auf Geheimdienstinformationen. Eine davon sei die einen Kilometer lange Antoniwskyj-Brücke nahe der Stadt Cherson, die am Mittwoch erneut getroffen worden sei und nun höchstwahrscheinlich nicht mehr benutzt werden könne.
Dadurch wirke die russische 49. Armee, die am Westufer des Dnipro stationiert sei, äußerst verwundbar, hieß es aus London weiter. Auch die Stadt Cherson als politisch bedeutendste Stadt unter russischer Kontrolle sei vom Rest der besetzten Gebiete nun so gut wie abgeschnitten. "Ihr Verlust würde die russischen Versuche, die Besatzung als Erfolg darzustellen, ernsthaft untergraben", betonte das britische Verteidigungsministerium.
US-Schätzungen zufolge musste die russische Seite im Krieg unterdessen bisher 75.000 Verluste verzeichnen. So viele Menschen seien auf der Seite des Aggressors getötet oder verwundet worden, berichtete der Sender CNN unter Berufung auf Abgeordnete des US-Repräsentantenhauses am Mittwoch (Ortszeit). "Wir wurden darüber informiert, dass mehr als 75.000 Russen entweder getötet oder verletzt wurden, was enorm ist", zitierte der Sender die demokratische Abgeordnete Elissa Slotkin, die zuvor an einem geheimen Briefing der US-Regierung teilgenommen hatte. Der US-Auslandsgeheimdienst CIA hatte zuletzt geschätzt, dass auf russischer Seite bereits 15.000 Menschen ums Leben gekommen seien. Aktuelle Angaben der offiziellen Stellen in Russland zu Totenzahlen gibt es nicht.