63 Tote bei Bootsunglück in Italien

"Um Gewicht zu verlieren, warfen sie Kinder einfach über Bord"

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Um Gewicht zu verlieren, wurden mehrere Menschen einfach ins Meer geworfen - darunter auch Kinder.

Nach dem Bootsunglück vor der süditalienischen Region Kalabrien mit mindestens 63 toten Migranten geht die Suche nach Vermissten weiter. Die Bilanz des Unglücks, das sich 150 Meter vor der Küste der Hafenstadt Crotone abspielte, könnte sich auf mehr als 100 Tote erhöhen. Ganze Familien kamen bei dem Schiffsunglück ums Leben. Der Afghane Javed überlebte mit seinem 14-jährigen Sohn, verlor jedoch seine Frau und drei Kinder.

Javed war vergangene Woche mit seiner Familie im türkischen Izmir in das Fischerboot eingestiegen, das ihn nach Italien hätte bringen sollen. Er flüchtete vor den Taliban und wollte in Europa mit seinen vier Kindern ein neues Leben beginnen. "Es ist alles meine Schuld. Wir hätten nicht in dieses Schiff einsteigen sollen. Um mich zu retten, habe ich alles verloren", sagte Javed zu den ehrenamtlichen Helfern von Ärzten ohne Grenzen.

Nur Javeds ältester Sohn konnte sich retten, als das Boot vor der italienischen Küste zerschellte. Die beiden mussten die Leichen ihrer toten Angehörigen in einer Sporthalle in Crotone identifizieren. "All diese Menschen sind auf der Suche nach einer besseren Zukunft gestorben", betonte Sergio Di Dato, Missionschef von "Ärzte ohne Grenzen" laut italienischen Medienangaben.

Menschen über Bord geworfen

Loredana Pisani, Leiterin des Diözesanen Zentrums für Migranten in Crotone, berichtet dem „Corriere della Sera“ über erschütternde Details des Unglücks. „Um fünf Uhr morgens sahen die vier Schlepper Lichter am Strand und bekamen Angst, weil sie dachten, es sei die Polizei. Sie änderten deshalb den Kurs und erhöhten die Geschwindigkeit. Die einzige Möglichkeit dazu war, das Gewicht an Bord zu reduzieren. Sie warfen deshalb rund 20 Menschen über Bord, darunter auch Kinder.“ Dies hätten ihr mehrere Überlebende berichtet.  

Die überlebenden Migranten wurden mit Frakturen, tiefen Schnittwunden und starken Prellungen ins Spital eingeliefert. "Die meisten Menschen an Bord des Fischerbootes konnten nicht schwimmen, und diejenigen, die sich über Wasser halten konnten, taten ihr Bestes, um anderen zu helfen", berichtete eine Helferin.

Das überladene Fischerboot, das laut der Küstenwache rund 120 Personen aus dem Iran, Pakistan und Afghanistan an Bord hatte, konnte dem rauen Meer nicht standhalten, prallte wenige Meter vor der Küste gegen die Felsen und zerbrach in zwei Teile. Die Trümmer seien bis zu 300 Meter vor der Küste verstreut gefunden worden, hieß es. Nach Angaben von Überlebenden befanden sich 140 bis 150 Menschen an Bord. Zu den Toten zählen mehrere Kinder, darunter Zwillinge. Drei mutmaßliche türkische Schlepper wurden bisher festgenommen.

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