Plagiats-Affäre

Verliert Ungarn-Präsident Doktor-Titel?

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Vorwürfe: Senat der Universität entscheidet. Verstärkte Rücktrittsforderungen.

Der ungarische Staatspräsident Pal Schmitt könnte vielleicht schon am (heutigen) Donnerstag seinen Doktortitel verlieren. Der für Doktoratsfragen zuständige Rat der Budapester Semmelweis-Universität befürwortete am Donnerstagvormittag eine Aberkennung des Doktortitels. Der Senat der Universität dürfte in seiner Sitzung, die am Nachmittag ab 15.00 Uhr stattfindet, eine Entscheidung darüber treffen. Das Staatsoberhaupt steht seit Wochen im Kreuzfeuer von Plagiatsvorwürfen gegen seine 1992 eingereichte Dissertation.

Von den 18 anwesenden Mitgliedern der 22-köpfigen Doktoratsrates hatten am Donnerstag 16 für die Aberkennung des Doktortitels gestimmt, wie der Rektor der Universität, Tivadar Tulassay, laut Medienberichten gegenüber Journalisten sagte.

Eine Untersuchungskommission der Universität hatte in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht festgestellt, dass Schmitt, damals Präsident des Ungarischen Olympischen Komitees (MOB), große Teile seiner an der damaligen Sportuniversität (TE) eingereichten Dissertation von zwei anderen Autoren wörtlich übernommen hatte. Zudem habe er in den Text keinerlei Fußnoten oder sonstigen direkten Quellenverweise eingefügt. Die Kommission machte allerdings die - heute nicht mehr als eigenständige Institution existierende - Sportuniversität dafür verantwortlich, den Doktoranden nicht rechtzeitig auf die Mängel hingewiesen zu haben.

Schmitt wollte am (morgigen) Freitagabend im Wiener Künstlerhaus die große Ausstellung "Munkacsy - Magic & Mystery" über den ungarischen Maler Mihaly Munkacsy (1844-1900) eröffnen. Nach Angaben der ungarischen Botschaft in Wien und des Künstlerhauses von Donnerstagmittag hat sich bisher an diesen Plänen nichts geändert. Der Staatspräsident sollte am Donnerstagabend aus der südkoreanischen Hauptstadt Seoul nach Budapest zurückkehren.

Die ungarischen Oppositionsparteien forderten nach der Empfehlung des Doktoratsrates erneut die Abdankung Schmitts. Laut der rechtsradikalen Partei Jobbik wird ihn der "Volkszorn" vom Posten des Staatsoberhaupts entfernen, wie Parteisprecherin Dora Duro in einer Pressekonferenz sagte. Der Chef der Sozialisten (MSZP), Attila Mesterhazy, meinte, Schmitt sei "kein bisschen Würde mehr geblieben" und er müsse gehen. Die MSZP und die Demokratische Koalition (DK) von Ex-Premier Ferenc Gyurcsany kündigten an, im Parlament einen Entschließungsantrag einzureichen, in dem die Volksvertretung Schmitt zum Rücktritt auffordert.

Die Regierungspartei Fidesz-MPSZ äußerte sich zunächst nicht direkt zu den neuesten Entwicklungen. Fraktionschef Janos Lazar betonte laut der ungarischen Nachrichtenagentur MTI nach wiederholtem Nachfragen von Journalisten am Donnerstag, dass der Fall "nicht überhastet und mit der notwendigen Umsicht" behandelt werden müsse. Die rechtskonservative Regierung hatte zuvor unterstrichen, dass sie nicht von dem Fall um Schmitts Dissertation betroffen sei, wie Sprecher Andras Giro-Szasz am Donnerstag sagte.

Unterdessen mehrten sich aber auch Fidesz-nahe Stimmen, die den Rückzug des Präsidenten forderten, der vor seinem Amtsantritt selbst als Fidesz-Politiker tätig gewesen war. Die regierungsnahe Tageszeitung "Magyar Nemzet" rief in ihrer Donnerstagausgabe in einem redaktionellen Kommentar Schmitt aus moralischen Gründen offen zur Amtsniederlegung auf. Ähnlich reagierte der konservative "Batthyany-Kreis der Professoren" am Donnerstag in einer Stellungnahme: "Wir vertrauen darauf, dass auch der Präsident die Konsequenzen aus dem Fall ziehen wird." Der Präsident der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (MTA), der ehemalige Fidesz-Parlamentarier Jozsef Palinkas, stellte seinerseits in einer Aussendung vom Donnerstag fest, dass für die Geschehnisse "auch der Autor der Dissertation die Verantwortung trägt" - eine Kritik an der einseitigen Schuldzuweisung an die Universität im Kommissionsbericht.

Fidesz hatte nach der Veröffentlichung des Berichts am Dienstag die Affäre noch für "beendet" erklärt. Die Opposition hatte hingegen einhellig Schmitts Rückzug gefordert, was der Präsident am Mittwoch in Seoul ablehnte. Der frühere olympische Fechter und langjährige hohe Sportfunktionär Schmitt war nach dem Wahlsieg seiner Partei 2010 vom Parlament zum Staatsoberhaupt gewählt worden.

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