Spekulationen über Regeländerung

Weiter Chaos im US-Kongress: McCarthy neuerlich gescheitert

Teilen

Der Republikaner Kevin McCarthy konnte am Dreikönigstag zwar eine Reihe parteiinterner Rebellen auf seine Seite ziehen, verfehlte aber die erforderliche absolute Mehrheit der Stimmen erneut.

Washington. Im US-Abgeordnetenhaus ist auch der zwölfte Anlauf zur Wahl eines neuen Präsidenten gescheitert. Der Republikaner Kevin McCarthy konnte am Dreikönigstag zwar eine Reihe parteiinterner Rebellen auf seine Seite ziehen, verfehlte aber die erforderliche absolute Mehrheit der Stimmen erneut. Schon zur Hälfte der namentlichen Abstimmung hatten fünf Republikaner für Gegenkandidaten gestimmt. Wegen der knappen Mehrheitsverhältnisse konnte sich McCarthy nur vier Abweichler leisten.

McCarthy war optimistisch in den Wahlgang gegangen. "Wir werden Fortschritte machen, wir werden Sie schockieren", sagte er vor Beginn der Sitzung. Tatsächlich konnte der Republikanerführer im zwölften Wahlgang erstmals mehr Zustimmung erreichen. In den elf Wahlgängen seit Dienstag war er jeweils hinter dem demokratischen Oppositionsführer Hakeem Jeffries gelandet. US-Medien spekulierten, dass McCarthy darauf abzielen könnte, Jeffries in der Endabrechnung zu überrunden. Dann könnte er die Wahlregeln ändern lassen, damit schon die relative Mehrheit für die Wahl des Parlamentspräsidenten ausreichen würde. Dies würde seinen parteiinternen Rebellen das Erpressungspotenzial nehmen.

Gegnern zuletzt immer weiter entgegen gekommen

Der 57-Jährige war seinen Gegnerinnen und Gegner zuletzt immer weiter entgegen gekommen und hat sich damit auch erpressbar gemacht. Die radikalen Parteirebellen, die in weiten Teilen glühende Anhänger des ehemaligen Präsidenten Donald Trump sind, fordern unter anderem die Änderung interner Verfahrensregeln im Kongress. Mit diesen Anpassung würde ihre Macht im Parlament gestärkt. "Vor allem aber scheinen McCarthys hartnäckigste Gegner darauf aus zu sein, ihn zu Fall zu bringen", urteilte die "New York Times".

Am Donnerstag stimmten trotz weiterer Zugeständnisse wie schon zuvor 20 Republikaner hartnäckig für alternative Kandidaten aus ihrer Partei. Der republikanische Fraktionschef redete die interne Revolte gegen ihn immer wieder öffentlich klein und wies Vorwürfe zurück, dass ihn der Aufstand in den eigenen Reihen schwäche. Mit Blick auf das historische Ausmaß des Dramas sagte er: "Ich mag es, Geschichte zu schreiben." Er halte schließlich auch schon den Rekord für die längste Rede im Repräsentantenhaus.

Mehr Wahlgänge gab es zuletzt nur 1859/1860

Die aktuelle Abstimmung über den Spitzenposten gehört bereits jetzt zu den längsten in der US-Geschichte. Seit dem 19. Jahrhundert haben die Abgeordneten im Repräsentantenhaus nicht mehr so viele Anläufe gebraucht, um einen neuen Vorsitzenden zu wählen wie derzeit. Mehr Wahlgänge gab es zuletzt nur 1859/1860. Damals wurde der Republikaner William Pennington erst im 44. Wahlgang zum Vorsitzenden der Kongresskammer gewählt. Das Prozedere dauerte damals mehrere Wochen.

Das Tauziehen hatte am Dienstag begonnen, als das Abgeordnetenhaus war zu seiner konstituierenden Sitzung nach der Parlamentswahl im November zusammengekommen war. Die Republikaner übernahmen wieder die Kontrolle in der Kongresskammer, wenn auch nur mit ganz knapper Mehrheit. Doch anstatt ihre neue politische Stärke zu demonstrieren, stürzte die Partei die Kammer in Chaos und brachte die Arbeit des Parlaments zum Stillstand. Denn bis der Vorsitz geklärt ist, geht im Repräsentantenhaus gar nichts: Die Kammer kann ihre Arbeit nicht aufnehmen. Nicht mal die bei neuen Abgeordneten können vereidigt werden. An gesetzgeberische Arbeit ist erst gar nicht zu denken.

Chaotische Zustände

Die chaotischen Zustände in der amerikanischen Demokratie fallen ausgerechnet in eine Zeit, in der das Land an die beispiellose Attacke auf das US-Kapitol erinnert. Der brutale Angriff auf den Parlamentssitz jährte sich am Freitag zum zweiten Mal. An einer Gedenkveranstaltung nahmen zwar führende Vertreter der Demokraten wie Ex-Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi und Fraktionschef Hakeem Jeffries teil, aber keine Spitzenvertreter der Republikaner.

Anhänger Trumps hatten am 6. Jänner 2021 gewaltsam das Kongressgebäude in der Hauptstadt Washington erstürmt. Dort war der Kongress damals zusammengekommen, um den Sieg des Demokraten Biden bei der Präsidentenwahl formal zu bestätigen. Trump hatte seine Anhänger zuvor bei einer Rede damit aufgewiegelt, er sei durch massiven Wahlbetrug um einen Sieg gebracht worden. Als Folge der Krawalle kamen fünf Menschen ums Leben.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.