Sie gilt als einer der entlegensten Orte der Erde – doch so abgeschottet, wie lange vermutet, war die Osterinsel offenbar nie.
Eine neue Studie aus Schweden rüttelt nun an der gängigen Erzählung von der völligen Isolation des Eilands im Südpazifik. Forscher der Universität Uppsala zeigen: Die 63 Quadratmeilen große Insel wurde über Jahrhunderte hinweg mehrfach von neuen Siedlern erreicht – und war Teil eines regen kulturellen Austauschs quer durch Polynesien.
Die ersten Menschen kamen demnach um das Jahr 1200 n. Chr. auf die mehr als 3.000 Kilometer vom chilenischen Festland entfernte Insel – mit robusten Doppelrumpf-Kanus aus Zentralpolynesien. Lange galt die Annahme, dass diese erste Besiedlung ein einmaliges Ereignis war und die Bewohner, die sogenannten Rapa Nui, anschließend über Jahrhunderte hinweg isoliert lebten. Ein Irrtum, sagen nun die Forscher um Professor Paul Wallin.
Sie analysierten archäologische Daten und Radiokarbon-Datierungen von Siedlungen, Ritualplätzen und Monumenten in ganz Polynesien und fanden auffallende Ähnlichkeiten. Vor allem die berühmten „Ahu“ – rechteckige, steinerne Plattformen, auf denen auch die markanten Moai-Statuen der Osterinsel errichtet wurden – finden sich in abgewandelter Form auf anderen Inseln. Der Bau solcher zeremonieller Anlagen war also keineswegs auf Rapa Nui beschränkt.
Interaktion mit anderen Inseln
„Diese Tempelplätze existieren auf allen ostpolynesischen Inseln“, erklärt Wallin. Das spreche dafür, dass es regelmäßige Kontakte und ein „Netzwerk der Interaktion“ zwischen den Inseln gegeben habe – und dass Ideen, Technologien und kulturelle Praktiken sich in beide Richtungen über den Pazifik verbreiteten.
Besonders bemerkenswert: Die Studie legt nahe, dass sich der Bau der Ahu nicht nur nach Osten, sondern auch wieder zurück nach Westen verbreitet haben könnte – ein kultureller Rückfluss, der zwischen 1300 und 1600 stattgefunden haben dürfte.
Erst später, als sich hierarchische Gesellschaftsstrukturen auf einzelnen Inseln – etwa in Tahiti, Hawai'i oder Rapa Nui – unabhängig voneinander entwickelten, kam es offenbar zu einer stärkeren Abgrenzung. Gewaltige Monumente dienten fortan der Machtdemonstration einzelner Eliten.
Mit Europäern kam der Niedergang
Mit der Ankunft europäischer Entdecker im 18. Jahrhundert begann der rapide Niedergang der Bevölkerung auf der Osterinsel – durch Versklavung, Gewalt und eingeschleppte Krankheiten. Heute leben nur noch wenige Tausend Menschen auf dem entlegenen Eiland, das inzwischen UNESCO-Weltkulturerbe ist – und touristisch stark erschlossen.
Co-Autorin Professorin Helene Martinsson-Wallin warnt allerdings vor den Folgen des Massentourismus. Als sie in den 1980er-Jahren erstmals dort war, sei der Strand noch weiß und menschenleer gewesen. „Als ich in den frühen 2000ern zurückkehrte, war der Sand bläulich – winzige Plastikpartikel aus aller Welt hatten sich angespült.“