Scheidungen werden in den USA zum Geschäft: Party statt Trauer heisst der neue Trend
Scheiden tut weh, sagt der Volksmund. Und Scheidungen sind meist noch schmerzhafter. Doch in den USA gibt es immer mehr Menschen, die ihre Trennung fröhlich zelebrieren - und so die Scheidung verarbeiten. Im Club "Christophers's" in Fort Lauderdale (US-Bundesstaat Florida) feierten und tanzten kürzlich rund 400 frisch Geschiedene ausgelassen bis in die Morgenstunden. Sie labten sich an Cocktails namens "Marriage on the Rocks" (Heirat auf Eis). Und demonstrativ wanderte das ein oder andere Ehering-Imitat mit der Toilettenspülung in unbekannte Tiefen - die echten Ringe wären denn doch zu wertvoll gewesen.
Scheidungen "feiern"
"Es ist wichtig, nach dem oft
schmerzhaften Scheidungsprozess wieder raus zu gehen und zu feiern. Das ist
eine emotionale Befreiung", sagt die Organisatorin von "Amerikas größter
Scheidungsparty", Christina Rowe. Ihr Mann hatte sie nach 13 Ehejahren
verlassen. Rowe glaubt, dass es in Zeiten instabiler Beziehungen zunehmend
einen neuen, selbstbewussteren Umgang mit Trennungen gibt. "Eine Scheidung
ist auch der Beginn eines neuen Lebensabschnitts, den man genauso feiern
sollte wie Geburtstage oder Hochzeiten."
Es gibt viele Belege, dass Scheidungen in den USA inzwischen auch fröhlich zelebriert werden: Im Internet gibt es unzählige Utensilien zu kaufen, die sich über Scheidungen lustig machen. Konditoreien offerieren Scheidungs-Torten. Ein Unternehmen in New Orleans verleiht Leichenwagen an frisch Geschiedene, die mit Freunden symbolträchtig den "Tod ihrer Ehe" feiern wollen.
Lustige Scheidungsgeschenke
Besonders erfolgreich ist die
Internet-Anbieterin Angie Schmidt. Nachdem ihr Mann sie 2006 wegen einer
Geliebte namens Katie verlassen habe, hätten ihr Freundinnen ein T-Shirt mit
der Aufschrift: "Fragt Katie, wo mein Mann ist" geschenkt, berichtet sie.
Erstmals seit der Scheidung habe sie wieder lachen können - deshalb
beschloss die Betriebswirtin und Marketingexpertin lustige
Scheidungs-Geschenke zu vertreiben. Heute reicht ihre Produktpalette von
Ehering-Särgen bis hin zu dem Ex nachgebildeten Vodoo-Puppen. Ihre
Internet-Boutique benannte sie nach der Geliebten ihres Ex-Mannes:
"smashingkatie.com" ("Nieder mit Katie!").
Trennungen selbstverständlich
Der jüngste Trend habe einen
ernsten sozialen Hintergrund, erklärt der renommierte Soziologe Prof. David
Popenoe. "Scheidungen sind in den USA so normal geworden, dass sie als
selbstverständlicher Teil des Lebens akzeptiert werden", sagt er. In den
60er Jahren sei die Scheidungsrate explosionsartig angestiegen und habe die
USA zum Scheidungs-Land Nummer eins in der Welt gemacht. Seit Mitte der 80er
Jahre sei die Rate zwar rückläufig, aber die Wahrscheinlichkeit, dass eine
neu geschlossene Ehe in den USA scheitere, liege heute bei knapp 50 Prozent.
Kritik von religiösen Organisationen
Inzwischen gibt es auch
deutliche Kritik an dem Geschäft mit den eigenwilligen Artikeln und
Veranstaltungen. "Jede Scheidung ist ein Ärgernis für Gott. Deshalb sollten
Trennungen Tränen hervorrufen, nicht Lacher und Witze", schimpfte der bei
Evangelisten populäre christliche Blogger Barabbas über die lockeren Umgang
mit traditionellen moralischen Werten. "Scheidungen sind schmerzvoll,
besonders wenn Kinder betroffen sind", mahnt auch Prof. Popenoe. "Die
Gesellschaft sollte natürlich daran arbeiten, die Scheidungsrate zu senken
statt Scheidungen zu feiern." Aber wissenschaftlich betrachtet belegten
Scheidungs-Feste nur den Wertewandel auch in dem noch immer sehr religiösen
Amerika.