Verfaulte Pflanzen bilden giftiges Gas und sorgen so für Gefahr.
Der Ausritt am bretonischen Strand hätte Vincent Petit fast das Leben gekostet. Der 27-jährige Tierarzt war im flachen Wasser in eine kompakte Masse toter Algen geraten und bewusstlos zusammengebrochen. Sein Pferd starb auf der Stelle. Petit wurde wohl nur gerettet, weil in der Nähe ein Schaufellader angeschwemmte Algenmassen wegräumte. Der Fahrer sah das Drama und zog Petit aus der trüben Masse. Jetzt schlagen in Frankreich die Wellen hoch: Wird die ärgerliche Algenpest zur tödlichen Gefahr?
Killeralge statt Meersalat
Für bretonische Umweltschützer ist die
Sache klar. Klimaerwärmung und Überdüngung der Gewässer durch die
Landwirtschaft machen den Meersalat zur Killeralge. Dabei wird die zarte
Grünalge, die großen Salatblättern gleicht, von Köchen sogar als gesundes
Nahrungsmittel angepriesen. Meersalat enthält viel Magnesium, Kalzium und
Vitamine und schmeckt auch roh. Doch wenn angeschwemmte Algen verfaulen,
kann sich giftiger Schwefelwasserstoff bilden. Und mit den heißen Sommern
werden immer mehr Algenmassen angeschwemmt.
70.000 Tonnen
Nicht nur der Strand bei Saint-Michel-en-Greve ist
betroffen, wo Petit seinen unheilvollen Ausritt machte. Vom
Mont-Saint-Michel an der Grenze zur Normandie bis zum edlen Badeort La Baule
an der Mündung der Loire seien 84 Gemeinden geplagt, erklärt der
Umweltverein "Stoppt die Grünen Fluten" (Halte aux marees vertes). Bis zu
70.000 Tonnen Algen verfaulen jährlich an der bretonischen Küste. Eine halbe
Million Euro geben die Behörden aus, um die Badestrände von den stinkenden
Massen zu befreien. "Wir haben dieses Jahr schon 16.000 Tonnen
eingesammelt", sagte die Bürgermeisterin von Hillion, Yvette Dore, der
Zeitung "Liberation". 2008 waren es zur gleichen Zeit erst 700 Tonnen
gewesen.
Massentierhaltungs Schuld
Die sommerliche Algenpest gibt es seit
den 70er Jahren. Schuld sind die Intensivierung der Landwirtschaft und die
Massentierhaltung mit ihren nitratreichen Abwässern. In der Bretagne gebe es
alleine 14 Millionen Schweine, erklärt Yves-Marie Le Laye vom
Umwelt-Dachverband Sauvegarde du Tregor. Nach Angaben des Instituts für
Meeresforschung IFREMER stieg der Nitratgehalt in Frankreichs Flüssen in den
vergangenen 50 Jahren von drei auf 32 Milligramm pro Liter. Und die Flüsse
"düngen" die Küstengewässer.
Tödliche Gefahr
Bisher galten die Algen nur als Plage. Nach
dem Drama bei Saint-Michel-en-Greve werden jetzt aber alte Geschichten
ausgegraben, um ihre tödliche Gefahr zu beweisen. Im vergangenen Jahr sollen
zwei Hunde beim Herumstreunen in Algenmassen verendet sein. 1989 war nach
Presseberichten zudem ein 27-Jähriger beim Strandlauf in
Saint-Michel-en-Greve genau dort gestorben, wo jetzt das Pferd verendete.
War es der Meersalat?
Gas
Wenn eine kompakte Algenmasse verfault und die obere Schicht
in der Sonne zur luftdichten Kruste verhärtet, kann sich in der Masse
Schwefelwasserstoff ansammeln. Tritt man auf den Algenteppich, kann das
stark giftige Gas freigesetzt werden. Schwefelwasserstoff riecht allerdings
so widerwärtig nach faulen Eiern, dass man sofort zurückschreckt. In höheren
Konzentrationen betäubt das Gas jedoch den Geruchssinn. Dann kann es
gefährlich werden.