Deutschland

Lebenslang für Todespfleger

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Der 28-jährige Mann hat in einem Krankenhaus 28 Patienten mit Betäubungs- und Narkosemitteln zu Tode gespritzt.

Höchststrafe für den "Todespfleger von Sonthofen": Das Landgericht Kempten verurteilte den 28-jährigen Stephan L. am Montag zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Gleichzeitig erkannte es auf eine besondere Schwere der Schuld, womit eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren ausgeschlossen ist.

Das Gericht bewertete von den ursprünglich angeklagten 29 Patiententötungen zwölf als Mord. 15 Fälle wertete es als Totschlag, einen Fall als Tötung auf Verlangen, einen weiteren Vorwurf ließ es fallen. Die Verteidigung kündigte umgehend Revision vor dem deutschen Bundesgerichtshof an. Auch die Staatsanwaltschaft prüft eine Revision, da das Gericht einige Fälle milder bewertete als die Anklage.

Tödlicher Medikamentenmix
L. wurde für die größte Serie von Patiententötungen in der deutschen Nachkriegsgeschichte verurteilt. Er hatte seine Opfer zwischen Anfang 2003 und Mitte 2004 im Krankenhaus von Sonthofen mit einem tödlichen Medikamentenmix zu Tode gespritzt. Als Motiv gab der teilweise geständige Pfleger in dem Prozess Mitleid und Überforderung in seinem Beruf sowie die schwierige Beziehung zu seiner psychisch kranken Ex-Freundin an. Dagegen billigte das Gericht dem von einem Gutachter als voll schuldfähig eingestuften Angeklagten nur in zwei Fällen das Motiv Mitleid zu, die angebliche Überforderung und die Beziehungsprobleme ließ es nicht gelten.

Der Vorsitzende Richter Harry Rechner beschrieb L. als einen bei einem Intelligenzquotienten von 121 überdurchschnittlich intelligenten, gleichzeitig aber egoistischen Menschen. Er sei gegen seine Opfer mit "Überheblichkeit" vorgegangen und habe sich in der Regel nicht einmal die Mühe gemacht, sich mit deren Krankengeschichte intensiv zu befassen. Deshalb sei es L. auch nicht möglich gewesen, den weiteren Krankheitsverlauf der Patienten zu bewerten. Auch dies schließe Mitleid als Motiv aus.

Bei der Bewertung der Taten als Mord oder Totschlag unterschied das Gericht allein nach dem Gesundheitszustand der Opfer: Die Fälle der bereits dementen Kranken bewertete es als Totschlag. Dort falle nach der gängigen Rechtsprechung das Mordmerkmal der Heimtücke weg. Bei den noch geistig ansprechbaren Patienten entschied das Gericht dagegen auf Mord. Hier habe L. heimtückisch gehandelt; seine Opfer hätten sich sicherlich zur Wehr gesetzt, falls sie von seinem Vorhaben gewusst hätten.

Verteidigung legt Revision ein
Verteidiger Jürgen Fischer bezeichnete die Unterscheidung zwischen den dementen und nicht-dementen Patienten als "eine bisschen gewagte Argumentation". Er hatte in seinem Plädoyer eine Verurteilung nur wegen Totschlags in minder schwerem Fall gefordert, da er Mitleid als Motiv als erwiesen ansah. "Das letzte Wort ist nicht gesprochen in diesem Fall", sagte Fischer. Ihm bleibt eine Woche Zeit, offiziell Revision einzulegen.

Staatsanwalt Peter Koch sagte, er werde den Gang in die Revision prüfen. Er hatte zwar ebenfalls eine lebenslange Freiheitsstrafe und auch die besondere Schwere der Schuld verlangt. Allerdings wich das Gericht bei der Betrachtung der Einzelfälle von seinem Plädoyer ab. So hatte Koch auch für die Fälle von Totschlag eine Verurteilung zu lebenslang und die besondere Schwere der Schuld verlangt. Dieses Strafmaß hätte es allein wegen der hohen Anzahl der Toten geben müssen, sagte der Ankläger. Dagegen entschied das Gericht bei diesen 15 Fällen nur auf jeweils achtjährige Haftstrafen.

Das Gericht sprach L. neben den Tötungen auch wegen eines versuchten Totschlags und einer gefährlichen Körperverletzung sowie fünffachen Diebstahls schuldig. Außerdem verhängte es ein lebenslanges Berufsverbot als Krankenpfleger. Die zahlreichen im Gerichtssaal anwesenden Angehörigen der Opfer zeigten sich mit dem Urteil zufrieden. "Ich denke, dass alle Angehörigen nun erleichtert sind", sagte Nebenklage-Anwalt Wilhelm Seitz. Sie empfänden Genugtuung darüber, dass das Gericht eine Strafe verhängt habe, die der Schuld zumindest einigermaßen gerecht werde.

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