Der Putin-Kritiker liegt noch immer im Koma - er wurde zur Behandlung nach Berlin geflogen.
Der prominente Kremlkritiker Alexej Nawalny ist laut einem Bericht vor seiner möglichen Vergiftung von den Behörden lückenlos beschattet worden. "Das Ausmaß der Überwachung überrascht mich überhaupt nicht, wir waren uns dessen bereits bewusst", schrieb seine Sprecherin Kira Jarmysch am Sonntag auf Twitter. "Aber es ist erstaunlich, dass sie nicht gezögert haben, allen davon zu erzählen."
Rund um die Uhr beobachtet
Hintergrund ist ein Artikel der Moskauer Boulevardzeitung "Moskowski Komsomolez". Die Zeitung beruft sich auf nicht näher genannte Sicherheitskreise und beschreibt detailliert, wo sich Nawalny zu jedem Zeitpunkt aufhielt, mit wem er sprach und wo er übernachtete. Wenn es überhaupt eine Vergiftung gegeben haben soll, könne das wahrscheinlich nur am Flughafen oder im Flugzeug passiert sein, hieß es als Schlussfolgerung. "Alle Bewegungen und Kontakte in der Stadt wurden akribisch untersucht."
Nawalny liegt seit Donnerstag im Koma und wird künstlich beatmet. Seit Samstag wird er in der Berliner Charité behandelt. Sein Team geht davon aus, dass er während der Reise durch Sibirien Opfer eines Giftangriffs wurde. Nawalnys Mitarbeiter wollen am Sonntagabend (18.00 Uhr MESZ) in ihrem Internetkanal Auskunft geben. "Wir werden alles erzählen, was zurzeit über Alexejs Vergiftung bekannt ist", schrieb Jarmysch auf Twitter. Sie werde aus Moskau berichten und ihr Kollege Leonid Wolkow aus Berlin.
Wolkow arbeitet für Nawalnys sogenannten Fonds zur Bekämpfung zur Korruption. Er ist ein enger Vertrauter des 44-Jährigen und begleitete auch dessen Frau Julia am Sonntag in die Charité. Die russischen Ärzte sprechen bei Nawalny lediglich von einer Stoffwechselstörung. Wolkow unterstrich: "Wir werden jetzt erzählen, wie tatsächlich alles war."
Nawalny nach Berlin geflogen - weiter im Koma
Am Samstag war Nawalny mit einem Spezialflug nach Berlin gekommen. Der Flug war eine private Aktion der Initiative Cinema for Peace um den Filmproduzenten Jaka Bizilj. Für die Kosten kam der russische Unternehmer und Mäzen Boris Simin auf, wie Nawalnys Vertrauter Wolkow auf Facebook schrieb. Er bedankte sich auch bei der Bundesregierung und bei Kanzlerin Angela Merkel, die eine Behandlung in einem deutschen Krankenhaus angeboten hatte.
Mit Informationen aus der Berliner Charité wird frühestens am Montag gerechnet. Filmproduzent Bizilj wollte sich am Sonntag nicht weiter äußern, er verwies auf Nawalnys Familie und das Krankenhaus. "Derzeit erfolgt eine umfangreiche medizinische Diagnostik", teilte die Charité, Deutschlands größte Uni-Klinik, am Samstag mit. Erst nach Abschluss der Untersuchungen und nach Rücksprache mit der Familie wollen sich die behandelnden Ärzte äußern. Die Untersuchungen würden einige Zeit in Anspruch nehmen, hieß es weiter.
Video zum Thema:
Kremlkritiker in Charité angekommen