Nach Mord

Abschied von Politkowskaja

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In mehreren Städten finden Trauerfeiern für die ermordete russische Journalistin statt. Die Polizei sucht indes nach fünf Tätern.

Tausende Menschen haben in Moskau und anderen Städten der getöteten russischen Journalistin Anna Politkowskaja die letzte Ehre erwiesen. Zu der Trauerfeier auf dem Friedhof Trojekurowskoje im Westen der Hauptstadt kamen am Dienstag zahlreiche Journalisten und Diplomaten, sowie Bewunderer Politkowskajas, die über die Grenzen Russlands für ihre investigativen Berichte und Reportagen bekannt wurde.

Die regierungskritische 48-jährige Redakteurin der Tageszeitung "Nowaja Gaseta" war am Samstag erschossen worden. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Tat in Verbindung mit ihrer Arbeit steht. Kurz vor ihrem Tod arbeitete die zweifache Mutter an einem Artikel über Folter in Tschetschenien. Die Polizei ermittelt weiterhin nach den Tätern. Der russische Präsident Wladimir Putin versprach, den Mord untersuchen zu lassen. Die Ermordung der Journalistin überschattete auch den Deutschland-Besuch Putins, dessen Regierung wiederholt wegen Einflussnahme auf die Medien ins Visier der Kritik geraten ist.

"Ende einer Ära"
Hochrangige Regierungsvertreter nahmen an der Trauerfeier nicht teil. "Sie war eine einzigartige Frau im heutigen Russland", sagte der Architekt Nikolai Smirnow, der aus St. Petersburg für die Trauerfeier angereist war. "Heutzutage gibt es hier nur wenige ehrliche Menschen in der Politik und im Journalismus." Smirnow sprach vom "Ende einer Ära für die russischen Medien". "Ich weiß nicht, was jetzt kommt, wo sie tot ist", sagte er mit einem Strauß roter Nelken in der Hand.

Kollegen von der Zeitung "Nowaja Gaseta" erinnerten daran, wie oft Politkowskaja bei ihrer Arbeit bedroht worden sei. Auch wenn sie Angst gehabt habe, habe sie sich diesem Druck nicht gebeugt. Kollegen Politkowskajas versprachen, die Arbeit der getöteten Journalistin weiterzuführen. "Heute ist ein Tag der Trauer, und dann beginnen wir wieder damit, die Zeitung zu machen", sagte der Vize-Chefredakteur der "Nowaja Gaseta".

"Sie war eine Menschenrechtlerin und Journalistin im wahrsten Sinne des Wortes, eine Heldin Russlands", sagte der Kreml-Beauftragte für Menschenrechte, Wladimir Lukin, auf der Trauerfeier. An der Zeremonie nahmen zahlreiche Journalisten, Vertreter von Menschen- und Bürgerrechtsbewegungen sowie westliche Diplomaten teil. Der US-amerikanische Botschafter in Russland, William Burns, rief die russischen Behörden dazu auf, den Mord vollständig aufzuklären.

Fünf Täter vermutet
Nach einem Bericht der Tageszeitung "Kommersant" vom Dienstag geht die Polizei von mehreren Tätern aus, die Politkowskaja bereits im Supermarkt verfolgt hätten. Die russische Tageszeitung "Komsomolskaja Prawda" berichtete von mindestens fünf Tätern. "Sie sind alle von verschiedenen Kameras gefilmt worden und den Ermittlern verdächtig erschienen", berichtete die "Komsomolskaja Prawda". Ein Journalist der Zeitung hatte sich am Samstag zufällig in der Nähe des Tatortes aufgehalten und dient den Ermittlern jetzt als Zeuge. Vier der fünf Gesuchten - zwei Frauen und zwei Männer - hätten Politkowskaja vor der Tat beschattet, hieß es.

Als die 48-Jährige am Samstag nach Hause gekommen sei, habe ein Mann im Treppenhaus zwischen dem Erdgeschoss und dem ersten Stock auf sie gewartet, hieß es in der "Komsomolskaja Prawda" ohne Quellenangabe. Ein weiterer Mann, der Mörder, sei der Journalistin ins Haus gefolgt, während vor der Tür eine Frau Schmiere gestanden habe. Zwei Mittäter hätten in einem Fluchtwagen gewartet. Der Mörder habe fünf Schüsse auf Politkowskaja abgegeben, von denen vier getroffen hätten. Die Staatsanwaltschaft wollte sich zu dem Bericht nicht äußern.

In der Redaktion der Zeitung "Nowaja Gaseta", für die Politkowskaja seit 1999 gearbeitet hatte, trafen weitere Beileidsbekundungen ein. Die Zeitung hatte am Montag eine Belohnung von 25 Millionen Rubel (738.000 Euro) für Hinweise auf Politkowskajas Mörder ausgesetzt. Auch vor dem Haus in der Moskauer Innenstadt, in dem die Journalistin gelebt hatte und am Samstag ermordet worden war, legten Menschen Blumen nieder.

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