Es wird vermutet, dass Anhänger des ehemaligen Präsidenten Putin den Anschlag auf Nemzow verübten. Er hatte die Pläne für die Winterspiele in Sotschi kritisiert.
Auf den Kreml-Kritiker und Kandidaten für das Bürgermeisteramt der russischen Olympiastadt Sotschi, Boris Nemzow, ist ein Anschlag verübt worden. Nemzow sei am Montag vor seinem Wahlkampfbüro mit Ammoniak übergossen worden, erklärte eine Sprecherin. Eine Person sei mit einem Blumenstrauß an den Politiker herangetreten, eine weitere habe ihn mit der Flüssigkeit bespritzt, sagte Olga Schorina. Eine geringe Menge des Ammoniaks sei in seine Augen geraten, habe aber offenbar keinen bleibenden Schaden angerichtet.
Kritik an Plänen für Winterspiele in Sotschi
Nemzow
veröffentlichte kurz vor dem Anschlag am Montag einen Appell an den
russischen Präsidenten Dmitri Medwedew, in dem er Pläne für die Olympischen
Winterspiele in Sotschi 2014 kritisierte. Die hohen Kosten und zu
erwartenden Umweltschäden stellten die Stadt vor eine Zerreißprobe, schrieb
Nemzow an Medwedew. Er schlug vor, dass viele der Wettkämpfe andernorts in
Russland abgehalten werden könnten.
Stecken Kreml-treue Jugendliche hinter dem Anschlag?
Nemzow sagte
dem Radiosender Echo Moskwi, er vermute Mitglieder der Kreml-treuen
Jugendgruppe Naschi hinter dem Anschlag. Die Tat sei offenbar eine Reaktion
auf seine Kritik an der Austragung der Olympischen Spiele in Sotschi. Für
die Vergabe der Spiele an die Stadt am Schwarzen Meer hatte sich seinerzeit
der damalige Präsident Wladimir Putin persönlich eingesetzt.
Der liberale Politiker Nemzow war in den 90er Jahren selbst Mitglied der russischen Regierung, zwei Mal war er stellvertretender Ministerpräsident. Später wurde er zum entschiedenen Kritiker Putins. Die Bürgermeisterwahl findet am 26. April statt.
Gouverneur von Murmansk wirft das Handtuch
In einem weiteren
Machtkampf mit dem Kreml hat der Gouverneur des nordrussischen Gebiets
Murmansk, Juri Jewdokimow, seinen Rücktritt erklärt. Mit seinem Schritt sei
der bei Präsident Medwedew in Ungnade gefallene Politiker vermutlich seiner
Entlassung zuvorgekommen, sagte ein namentlich nicht genannter Mitarbeiter
des Kremlchefs der Zeitung "Kommersant" (Montag). Jewdokimow habe
insbesondere "eine umfassende Loyalität" zur Partei Geeintes Russland von
Regierungschef Wladimir Putin vermissen lassen.
"Führungswechsel" in Russland
Erst vor kurzem
hatte Medwedew zur Bekämpfung der Finanzkrise in Russland einen Minister und
vier Gouverneure entlassen sowie weitere "Führungswechsel" angekündigt. In
Krisenzeiten werde von den regionalen Regierungen mehr Können und Disziplin
verlangt, hatte der Kremlchef seine Maßnahmen begründet. Die Stellen wurden
mit Vertretern von Geeintes Russland besetzt. Auch Jewdokimows Nachfolger
soll von der Partei der Macht kommen.