'Mann ohne Gesicht'

Ex-DDR-Spionagechef Markus Wolf ist tot

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Im Westen galt DDR-Spionagechef Markus Wolf über viele Jahre hinweg als der "Mann ohne Gesicht". Fast 30 Jahre war er der Chef der DDR-Auslandsagenten. In der Nacht auf Donnerstag, am 17. Jahrestag des Mauerfalls, ist er im Alter von 83 Jahren gestorben.

Wolf hatte den Spion im Bonner Bundeskanzleramt Günter Guillaume rekrutiert, dessen Enttarnung 1974 zum Rücktritt von Kanzler Willy Brandts führte. Er war Stellvertreter von Stasi-Chef Erich Mielke. Nach der Wiedervereinigung stand "die Graue Eminenz der Spionagewelt" ganz oben auf der bundesdeutschen Fahndungsliste. Die Strafverfolgung empfand der Ex-Spionagechef bis zuletzt als "Siegerjustiz".

Schlüsselfigur des Kalten Krieges
Markus "Mischa" Wolf galt als eine Schlüsselfigur des Kalten Krieges. Erst 1978 war es in Stockholm gelungen, ein Foto von ihm zu schießen. Zuvor hatten seine Gegenspieler Wolf nur von einem Bild aus dem Jahre 1959 gekannt. Zur Wendezeit ging Wolf nach Moskau, wo er als Emigrantenkind aufgewachsen war. Er kehrte aber 1991 freiwillig zurück. Nach seiner Rückkehr wurde ihm der Prozess gemacht.

Landesverrat
Seine Verurteilung zu sechs Jahren Haft wegen Landesverrats wurde später aufgehoben. Denn nach einem Beschluss des deutschen Bundesverfassungsgerichtes durften DDR-Bürger, die vor der Wiedervereinigung gegen die Bundesrepublik Deutschland spioniert hatten, dafür nur noch eingeschränkt strafrechtlich verfolgt werden. Bei einem zweiten Prozess ging es dann um die Verschleppung von vier Menschen in den 50er und 60er Jahren. Dafür wurde Wolf im Mai 1997 zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.

Seine früheren Mitarbeiter preiszugeben, lehnte er aus moralischen Gründen ab. Das brachte ihm sogar zwei Tage Beugehaft ein. Strafbare Handlungen vermochte Wolf in seiner über 30-jährigen Spionagetätigkeit nicht zu erkennen. Schließlich habe er sich als Bürger und Funktionsträger der DDR stets an die geltenden Gesetze gehalten. Eine Art Rechenschaftsbericht legte Wolf 1997 in seinen Memoiren unter dem Titel "Spionagechef im geheimen Krieg" vor.

Kochbuch-Autor
Im Alter trat der ergraute, groß gewachsene Geheimdienstler mit dem markigen Gesicht als Kochbuch-Autor und Schriftsteller ("Freunde sterben nicht") auf. Auch wenn er 1989 mit dem Buch "Troika" zu den Fürsprechern der vorsichtigen Reformpolitik gehörte und bei den DDR-Oberen nicht nur Freunde hatte: Viele Ostdeutsche werden ihn als Unbelehrbaren in Erinnerung behalten. Bei der größten Demonstration gegen das SED-Regime, zu der sich am 4. November 1989 eine halbe Million Menschen auf dem Ostberliner Alexanderplatz versammelten, wurde er gnadenlos ausgepfiffen.

Von der Schweiz nach Russland
Der Sohn des jüdischen Dramatikers, Arztes und Kommunisten Friedrich Wolf wurde am 19. Jänner 1923 in Hechingen/Hohenzollern geboren und wuchs in Stuttgart auf. 1933 emigrierte die Familie in die Schweiz, später in die Sowjetunion. Dort besuchte Wolf zusammen mit seinem Bruder Konrad, der sich später als Filmregisseur in der DDR einen Namen machte, die Komintern-Schule. 1945 kehrte er nach Deutschland zurück. Er arbeitete zunächst als Journalist und beobachtete für den Berliner Rundfunk die Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesse.

Chef über 4.000 Auslandsagenten
Im Alter von nur 28 Jahren wurde Wolf 1951 mit dem Aufbau eines DDR-Auslandsgeheimdienstes betraut worden. Seit 1958 war er Leiter dieser so genannten Stasi-Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) und einer der Stellvertreter des Ministers Mielke. Mit der Präzision eines Schachspielers führte Wolf über etwa 4.000 Auslandsagenten Regie. Seinen größten Erfolg, das Einschleusen von Guillaume ins Kanzleramt, fasste er letztlich als Niederlage auf: Als Brandt zurücktrat, bedauerte der Stratege den Guillaume-Einsatz.

Der umtriebige Wolf war dem Stasi-Chef Mielke nicht immer ganz geheuer. Zu schillernd war dem verknöcherten Minister das Privatleben seines Agentenführers, der drei Mal heiratete. Am 5. Februar 1986 meldete die DDR-Nachrichtenagentur ADN, Wolf scheide auf eigenen Wunsch aus dem aktiven Stasi-Dienst aus.

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