Die EU hat die Schönheitsvorschriften für zahlreiche Obst- und Gemüsesorten gestrichen - Eigentlich sollten dadurch deren Preise sinken.
Für EU-Spötter war sie stets ein Leckerbissen: die Gurkenkrümmungs-Norm. Zum 1. Juli wird der 20 Jahre alte Gurken-Paragraph nun endgültig aus den Amtsbüchern gestrichen. Von einem "guten Tag für die krumme Gurke" spricht EU-Landwirtschaftskommissarin Mariann Fischer Boel. Sie boxte die neue Freiheit für knubbeliges Obst und Gemüse vor einem guten halben Jahr gegen die EU-Staaten durch.
Keine krummen Dinger
Die Gurkenkrümmungs-Norm verbarg sich bisher
hinter der Ordnungsnummer 1677/88. Nach der Verordnung von 1988 mussten
Gurken der Extra-Klasse bisher "gut geformt und praktisch gerade sein". Als
"maximale Krümmung" wurden gerade mal zehn Millimeter auf zehn Zentimeter
Gurkenlänge akzeptiert. Die Folge: Keine krummen Dinger in Supermärkten und
Gemüseläden. Was nicht der EU-Norm entsprach, wurde aussortiert und in
vielen Fällen weggeworfen.
Gleiches Recht für viele
Mit dieser Verschwendung soll ab
Mittwoch Schluss sein, verspricht die EU-Kommission. Denn nicht nur die
Gurkenkrümmungs-Norm wird ersatzlos gestrichen. Auch knubbelige Karotten und
kleinwüchsige Kirschen haben künftig wieder eine Chance. Neben der
Gurken-Norm fallen auch die Schönheitsvorschriften für 25 andere Obst- und
Gemüsesorten. Darunter sind beliebte Früchte wie Aprikosen, Kirschen,
Melonen und Pflaumen und gut gehendes Grünzeug wie Möhren, Kohl und Spargel.
Preise sollen sinken
Gut für die Verbraucher, sagt die
Kommission. Zwar sehe Obst und Gemüse dann oft nicht mehr so appetitlich
aus. Aber je weniger in Konserven und auf dem Müll lande, desto stärker
dürften die Preise sinken. Allerdings hat die Behörde die Rechnung ohne die
Supermärkte und Discounter gemacht. Welche Lebensmittel den Kunden
vorgesetzt werden, bestimmen Aldi, Lidl, Rewe und Co. maßgeblich mit. Dem
Handel ist die Streichung der Normen ein Dorn im Auge. Denn sie sorgten für
eine bessere Vergleich- und Stapelbarkeit.
Chance für Gatschtomate?
Für die deutsche
CSU-Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner ist das Aus für die
Gurken-Verordnung "ein weiterer Schritt zur Vereinfachung und
Entbürokratisierung". Die Ministerin hat noch weitergehende Pläne: Aigner
will auch die EU-Normen für die zehn wichtigsten Obst- und Gemüsesorten
abschaffen, die vorerst weiter gelten. Damit hätten auch angeschlagene Äpfel
und nicht ganz tadellose Tomaten eine Chance. Aigner droht deshalb ein
heftiger Streit mit den Bauern: Der Deutsche Bauernverband hält die
Abschaffung der Obst- und Gemüsenormen für "unverständlich und nicht
nachvollziehbar" und warnt vor einer "Wühlkiste" im Supermarkt.
Selbst wenn der Apfel-Paragraph unter deutschem Druck fallen sollte, müssen EU-Kritiker sich keine Sorgen machen. Denn in Europa gibt es weiter viele Regeln, über die sich trefflich spotten lässt - von der Traktorensitz-Richtlinie bis zur Leiter-Vorschrift.