Ankara scheut keinen Aufwand aus Sorge vor Gewaltprotesten.
Der erste Besuch von Papst Benedikt XVI. in einem muslimischen Land - der dritte eines katholischen Kirchenoberhauptes in der Türkei nach jenem von Papst Paul VI. vor 39 und jenem von Johannes Paul II. vor 27 Jahren - wird von Angst vor gewaltsamen Protesten begleitet. Am Sonntag protestierten 25.000 Menschen in Istanbul gegen den Besuch, der in erster Linie dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. gilt. Das Oberhaupt der Weltorthodoxie - vom türkischen Staat nicht als solches anerkannt - residiert im Phanar in Istanbul.
Schlechte Vorzeichen
Anfang des Monats gab ein Mann vor dem Gebäude des italienischen Konsulats Schüsse ab und rief, er werde den Papst erwürgen. In der vergangenen Woche besetzten Nationalisten die Hagia Sophia, die einstige Hauptkathedrale des Byzantinischen Reiches, nach der osmanischen Eroberung 1453 in eine Moschee umgewandelt und 1934 von Atatürk zum Museum erklärt. Aber die Türkei, die der Welt das Bild eines modernen Staates vermitteln will, scheut keinen Aufwand, damit die Papst-Reise reibungslos verläuft. Heerscharen von Scharfschützen, Sprengstoffexperten, Bereitschaftspolizisten und Anti-Terror-Experten werden jede Station Benedikts sichern.
Polizeihubschrauber werden über Istanbul, Ankara und Izmir kreisen und Marinekommandos auf Spezialbooten mit Maschinengewehren den Bosporus überwachen. Wegen der erwarteten Demonstrationen sollen einige Zonen der Istanbuler Innenstadt abgesperrt werden, die Behörden erstellen Listen der Bewohner. Einige Anti-Terror-Experten der Polizei erklärten, sie seien besorgt, dass Protestkundgebungen in Gewalt umschlagen könnten.
Extremistische Organisationen
In der Türkei sind mehrere extremistische islamische Organisationen aktiv, darunter auch Gruppen, die dem Terrornetzwerk Al-Kaida zugerechnet werden. Dieses wurde für mehrere Selbstmordanschläge auf Synagogen und britische Einrichtungen verantwortlich gemacht, bei denen vor drei Jahren 58 Menschen getötet wurden. 70 mutmaßliche Al-Kaida-Mitglieder stehen deshalb vor Gericht.
Der Stellvertreter von Al-Kaida-Führer Osama Bin Laden, Ayman al-Zawahiri, hat Benedikt XVI. mit Papst Urban II. verglichen, der die Christen im Jahr 1095 zum ersten Kreuzzug ins Heilige Land aufrief. Und bereits vor der Regensburger Vorlesung Joseph Ratzingers kam es in der Türkei zu gegen Christen gerichteten Übergriffen. Vermutlich im Zusammenhang mit den Mohammed-Karikaturen in europäischen Zeitungen erschoss ein junger Mann im Februar einen katholischen Priester in Trabzon am Schwarzen Meer. Danach wurden zwei weitere Geistliche getötet.
Warnung vor Attenat
Ausgerechnet der türkische Papst-Attentäter Mehmet Ali Agca, der 1981 einen Anschlag auf Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. verübte, warnte, dass das Leben des Oberhaupts der katholischen Kirche bei seinem Türkei-Besuch in Gefahr sein könnte. Die antipäpstliche Stimmung könnte auch von einem kürzlich erschienenen türkischen Roman geschürt werden: "Attentat auf den Papst" von Yücel Kaya spinnt eine Verschwörungstheorie, wonach die konservative katholische Gemeinschaft Opus Dei, die italienische Freimaurerloge P2 und der US-Geheimdienst CIA einen Vorwand für einen Angriff auf den türkischen Nachbarn Iran in Szene setzen. "Wer tötet den Papst in Istanbul?" , lautet der Untertitel des Krimis, dessen Titel ein Bild Benedikts vor einem brennenden Kreuz ziert - und ein bärtiger Killer nimmt den Papst ins Visier ...