Bei den Protesten in Paris erlosch das Olympische Feuer in den Tumulten. Unterdessen erhöhte IOC-Präsident Rogge den Druck auf Peking.
Massive Proteste gegen die chinesische Menschenrechtspolitik haben zum Abbruch des olympischen Fackellaufes in Paris geführt. Der Staffellauf wurde am Montagnachmittag beendet, nachdem Gegner Pekings ihn behindert und mehrmals aufgehalten hatten. Laut Polizei hatte die Fackel bereits kurz nach dem Start am Eiffelturm aus "technischen Gründen" gelöscht werden müssen. Die Polizei nahm acht Menschen fest. Darunter fand sich eine Abgeordnete der französischen Grünen-Partei. Es sind 18 Personen festgenommen worden. Wie das Pariser Innenministerium am Montagabend mitteilte, wurden 18 Personen festgenommen, "die meisten wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt". Die Polizei habe "ein gerechtes und schwieriges Gleichgewicht zwischen der Sicherung dieses Ereignisses und der Achtung der Demonstrationsfreiheit" zu wahren gehabt. Sie habe auch die Sicherheit der Demonstranten garantieren müssen, von denen sich einige in Gefahr gebracht hätten.
Bus brachte Flamme zum Ziel
Nach Abbruch des Staffellaufes
brachte ein Bus die Flamme von der Nationalversammlung zum Ziel, einem
Stadion im Süden der Stadt, wie die Polizei mitteilte. Die ursprünglich
geplanten Stationen dazwischen seien übersprungen worden. Die chinesische
Botschaft in Paris hatte ihrerseits kurz zuvor entschieden, die Route des
Fackellaufes zu ändern und eine halbstündige Veranstaltung am Rathaus
ausfallen zu lassen. Dort hatten mehrere Stadträte die tibetische Flagge an
der Rathaus-Fassade aufgehängt.
Die grünen Stadträte befestigten außerdem ein schwarzes Banner der Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF/RoG), das die Olympischen Ringe in Form von Handschellen zeigte. Bürgerrechtler ketteten sich am Eiffelturm an und entrollten das selbe Banner. Das RSF-Transparent wurde auch an der Kathedrale Notre Dame angebracht.
Feuer wurde zweimal gelöscht
Wegen der Proteste musste das
Feuer auf der letzten europäischen Etappe der Fackel sogar kurzfristig
zweimal gelöscht werden. Zu Beginn des Fackellaufs hatte ein Mitglied der
Grünen Partei versucht, die Flamme dem ersten Träger, dem früheren
400-Meter-Hürden-Sprinter Stephane Diagana, zu entreißen. Diagana trug aus
Sympathie mit Tibet ein Band mit der Aufschrift "Für eine bessere Welt".
Dazu hatten die im Nationalen Olympischen Komitee organisierten Athleten
aufgerufen.
Die echte, mit Propangas brennende olympische Flamme, die am 24. März im antiken Olympia entzündet worden war, wird allerdings nicht an der Fackel, sondern in einem Begleitfahrzeug, in einem geschützten Behälter transportiert.
(c) AP Die "Mutterflamme"
China hat mit der Niederschlagung der jüngsten Proteste in der Himalaya-Region weltweit Kritik ausgelöst. Seit Beginn der tibetischen Unruhen in China Mitte März sind nach offiziellen Angaben 19 Menschen bei Protesten getötet worden. Die Exil-Tibeter sprechen dagegen von etwa 140 Toten und Hunderten Festnahmen.
Dreitausend Polizisten sollten für Sicherheit sorgen
"Boykottiert
chinesische Waren" und "Rettet Tibet" forderten die
Demonstranten in Paris auf ihren Plakaten und Spruchbändern, die sie zu
Tausenden an die insgesamt 28 Kilometer lange Strecke bis ins Stadion
Charlety mitgebracht hatten. Etwa dreitausend Polizisten sollten in der
Stadt für Sicherheit sorgen. Allein 165 Polizisten und hundert
Feuerwehrleute bildeten auf Rollerblades, mit Motorrädern und zu Fuß einen
Sicherheitskorridor, um die Flamme abzuschirmen.
"Der Fackellauf ist zur Zielscheibe geworden", warnte der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Jacques Rogge mahnte China außerdem zu einer friedlichen Lösung für Tibet. "Wir fordern eine rasche und friedliche Beilegung der Krise in Tibet, die eine Protestwelle in der Welt ausgelöst hat", sagte Rogge bei einem Treffen mit Vertretern des chinesischen Olympiakomitees in Peking.
(c) Reuters
China reagierte auf Rogges Mahnung zurückhaltend. Die Olympischen Spiele sollten als großartiges Sportereignis "von der Politik ferngehalten werden", sagte die Sprecherin des Organisationskomitees (BOCOG), Wang Hui, am Montag vor der Presse in Peking. "Ich denke, Herr Rogge nimmt die gleiche Position ein." Diese Trennung von Politik und Sport gelte auch für den Fackellauf, sagte Wang Hui. Jedes Land habe seine Weise, mit Demonstrationen am Rande umzugehen. "Während des Fackellaufes hat es ein paar Störungen gegeben, aber wir glauben, dass alle friedliebenden Menschen in der Welt den Fackellauf unterstützen werden."
Mahnwache vor chinesischer Botschaft in Wien
In Wien hat
unterdessen vor der Botschaft der Volksrepublik China Montagfrüh eine
Mahnwache der Tibeter in Österreich begonnen, die bis zur Eröffnung der
Olympischen Spiele in Peking am 8. August dauern soll. "Die Chinesen
werden den Geist Tibets nie besiegen", sagte die Präsidentin der
Tibeter Gemeinschaft Österreich (TGÖ), Tseten Zöchbauer, zur APA. Die
Teilnahme der vielen jungen Tibeter an den Protesten in aller Welt zeige,
dass "die nächste Generation für den Widerstand bereitsteht".
Die Olympische Flamme wurde am 24. März im antiken Olympia in Griechenland entzündet und reist bis zum Beginn der Sommerspiele in Peking durch fünf Kontinente. Von Paris aus sollte sie noch am Abend in die Vereinigten Staaten gebracht werden - am Mittwoch ist sie in San Francisco, am Freitag in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires. Auf ihrem Lauf rund um die Welt soll sie zudem auch durch das Tibet-freundliche Indien und die Himalaya-Provinz selbst getragen werden, bevor sie am 6. August am Austragungsort Peking eintrifft.
Proteste auch auf Golden Gate Bridge in San Francisco
Zwei Tage
vor dem geplanten olympischen Fackellauf in San Francisco haben
Demonstranten am Montag einen Pfeiler der Golden Gate Bridge erklommen. Die
Tibet-Unterstützer wollten auf dem Wahrzeichen der Westküstenstadt ein
Protest-Banner aufhängen, berichtete der Radiosender KGO. Fünf Personen
seien bereits festgenommen worden. Fernsehkameras verfolgten die gefährliche
Kletterei von drei Demonstranten entlang der Stahlträger hoch über der
Brückenplattform in Live-Aufnahmen mit.
Am Mittwoch soll das Olympische Feuer über eine Strecke von knapp zehn Kilometern durch die Westküstenstadt getragen werden. San Francisco ist der einzige Stopp für die Flamme in den USA. 80 Personen sollen entlang einer Hafenpromenade abwechselnd die Fackel tragen. Nach Protesten in London und Paris werden auch in Francisco größere Demonstrationen erwartet.