Fürst Hans-Adam II griff Deutschland in einem Brief an das Jüdische Museum Berlin scharf an. Inzwischen ruderte er zurück.
Hans-Adam II Fürst von Liechtenstein hat Deutschland in einem Brief an das Jüdische Museum Berlin scharf angegriffen. Liechtenstein habe in den letzten 200 Jahren schon drei Deutsche Reiche überlebt. Es hoffe, auch noch das vierte zu überleben, wie es im Brief heißt, den der Schweizer "Tages-Anzeiger" abdruckte. Der Zentralrat der deutschen Juden ist bestürzt.
Inzwischen hat Liechtensteins Fürst seine Aussage relativiert. Er habe "in keiner Weise beabsichtigt, die grauenhaften Ereignisse des Dritten Reiches zu verharmlosen".
In seinem Brief begründet der Fürst von Liechtenstein, warum Liechtenstein keine Leihgaben mehr aus der eigenen Kunstsammlung nach Deutschland bringe. Liechtenstein wolle seine Kunstwerke nicht dem Risiko einer selektiven Anwendung des Rechtsstaats in der Bundesrepublik Deutschland aussetzen.
Liechtenstein wartet auf bessere Zeiten
Die
deutsch-liechtensteinischen Beziehungen hätten in den vergangenen 200 Jahren
einer Berg- und Talfahrt geglichen. Mit dem Zweiten Deutschen Reich befinde
sich Liechtenstein noch immer im Kriegszustand, da dieses untergegangen sei,
bevor es mit Liechtenstein habe Frieden schließen können. Und das Dritte
Reich sei Gott sei Dank untergegangen, bevor es seine Drohung habe in die
Tat umsetzen können, das Fürstentum Liechtenstein anzuschließen. Was die
deutsch-liechtensteinischen Beziehungen angehe, warte das Fürstentum auf
bessere Zeiten.
Das Auswärtige Amt in Berlin äußerte sich diplomatisch zu den Vorwürfen: Deutschland respektiere das Fürstentum. Die bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Ländern seien "eng und gut nachbarschaftlich".
"Völlig abwegig"
Der Zentralrat der Juden in
Deutschland nannte die Aussage des Fürsten "völlig abwegig",
wie Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrats sagte. Der Vorsitzende der
Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main erklärt, er verstehe zwar, dass der
Fürst wegen der Methoden der deutschen Steuerfahnder ungehalten sei. Der
Bundesnachrichtendienst hatte einem ehemaligen Angestellten der fürstlichen
Bank LGT illegal beschaffte Kundendaten abgekauft, was zahlreiche Verfahren
wegen Steuerhinterziehung auslöste. Der Fürst hatte sich im Frühjahr beim
Staatssender Radio Liechtenstein über "einen gezielten und
sorgfältigst vorbereiteten Angriff" des deutschen Geheimdienstes
auf sein Land beklagt.
Korn findet, der Ärger über diese Methoden berechtige Hans-Adam noch lange nicht zu solchen Aussagen: "Der Fürst verharmlost die Verbrechen der Nationalsozialisten, indem er die Bundesrepublik in eine Reihe mit dem Dritten Reich stellt." Der Zentralrat erwarte vom Fürsten, dass er sich beim Direktor des Jüdischen Museums, Werner Michael Blumenthal, entschuldige.
Der Brief von Hans-Adam II. im Wortlaut Sehr geehrter Herr Professor Dr. Blumenthal, Danke sehr für Ihren Brief vom 18. Juni bezüglich des Ausstellungsprojektes im Jüdischen Museum Berlin "Raub und Restitution". Da unsere Sammlungen während des 2. Weltkrieges und danach selbst das Opfer von Kunstraub waren, hätte ich sehr gerne das Ausstellungsprojekt unterstützt, wenn es nicht in Deutschland wäre. Deutschland hat sich vor einiger Zeit geweigert, trotz eindeutiger Rechtslage uns ein Gemälde zurückzugeben, das seit langem in Besitz meiner Familie war und von den kommunistischen Behörden nach dem 2. Weltkrieg in der Tschechoslowakei entschädigungslos enteignet wurde. Da die Bundesrepublik Deutschland in ihren Beziehungen zum Fürstentum Liechtenstein je länger desto weniger geneigt ist, sich an den Grundprinzipien des Internationalen Völkerrechts zu orientieren, haben wir entschieden, keinen Leihgaben mehr aus unseren Sammlungen nach Deutschland zu bringen. Wir wollen unsere Kunstwerke nicht dem Risiko einer selektiven Anwendung des Rechtsstaates in der Bundesrepublik Deutschland aussetzen. Die deutsch-liechtensteinischen Beziehungen in den vergangenen zweihundert Jahren gleichen einer Berg- und Talfahrt. Mit dem Zweiten Deutschen Reich befinden wir uns noch immer im Kriegszustand, da dieses untergegangen ist, bevor es mit uns Frieden schließen konnte, und das Dritte Reich ist Gott sei Dank untergegangen, bevor es seine Drohung in die Tat umsetzen konnte, das Fürstentum Liechtenstein "anzuschließen". Was die deutsch-liechtensteinischen Beziehungen betrifft, warten wir hier auf bessere Zeiten, wobei ich zuversichtlich bin, denn in den vergangenen zweihundert Jahren haben wir immerhin schon drei Deutsche Reiche überlebt, und ich hoffe, wir werden auch noch ein viertes überleben. Mit vorzüglicher Hochachtung, Hans-Adam II., Fürst von Liechtenstein" |