Der französische Präsident Sarkozy sieht sich fast als Amerikaner und trifft nach der Scheidung George Bush zur "Kuscheltherapie".
Ein Landhaus mit grünen Fensterläden und rotem Dach, umgeben von Bäumen in schönsten Herbstfarben im Nachmittagslicht - das war die Kulisse, die der amerikanische und der französische Präsident für ihre gemeinsame Pressekonferenz wählten. George W. Bush und Nicolas Sarkozy, beide im dunklen Mantel, scherzend, Vertraulichkeit demonstrierend, die Solidarität der Ehrgeizigen, Energischen und Mächtigen. Sarkozys erster offizieller Besuch in Washington war eine etwa 25 Stunden dauernde Liebeserklärung an Amerika. "Das französische Volk liebt das amerikanische Volk", betonte Sarkozy und zeigte sich bei den meisten außenpolitischen Themen mit Bush einer Meinung.
"French" statt "Freedom"
Endgültig vorbei
scheinen die Zeiten, in denen die Amerikaner ihre "French Fries" genannten
Pommes in "Freedom Fries" (Freiheitsfritten) umbenannten, entrüstet über die
französische Ablehnung des Irak-Kriegs. Sarkozy hatte sich mit seiner
pro-amerikanischen Haltung schon während des Wahlkampfs vom damaligen
Präsidenten Jacques Chirac abgesetzt, dass er den Spitznamen "Sarko, der
Amerikaner" verpasst bekam.
Viele Termine statt Scheidungskater
Knapp vier Wochen nach seiner
Scheidung von seiner Frau Cecilia scheint Sarkozy sich äußerlich gefangen zu
haben. Auffällig ist bloß, dass Sarkozy seine Agenda noch voller packt als
bisher. Er hetzt von Termin zu Termin, scheint wie getrieben, seine
Mitarbeiter kommen kaum mit der Organisation nach.
"Willkommen im Weißen Haus"
Sarkozy ist nicht
einmal 1,70 Meter groß, aber er strahlt etwas aus, das ihn zum Mittelpunkt
macht, nicht nur, weil er der Präsident Frankreichs ist. Er geht gern auf
Menschen zu, schüttelt Hände, klopft Schultern, gibt sich kumpelhaft -
etwas, das ihn mit Bush verbindet. Ohne Übersetzerin können sich beide
allerdings kaum miteinander verständigen. Bush begann seinen Toast zu Beginn
des Galadiners immerhin mit den Worten "Bienvenu a la Maison Blanche"
(Willkommen im Weißen Haus). Sarkozy hingegen hatte den englischen Satz "The
state of our friendship and our alliance is strong" (unsere Freundschaft und
unser Bündnis sind stark) zwar in seinem Redemanuskript stehen, verzichtete
aber darauf, sein akzentgefärbtes Englisch vor dem US-Kongress
auszuprobieren. Seine Rede im Kuppelsaal brachte ihm auch ohne sprachliche
Verrenkungen fast zwei Dutzend Unterbrechungen durch Beifall der Senatoren
ein.
US-Soldaten seien wie Familienmitglieder
In dieser Rede gab
Sarkozy sich alle Mühe, seine Zuhörer zu bauchpinseln. Von Wärme, Treue und
immerwährender Freundschaft sprach er. "Wann immer ein US-Soldat irgendwo
auf der Welt getötet wird, denke ich daran, was die amerikanische Armee für
Frankreich getan hat und bin so traurig, als ob ein Familienmitglied
gestorben ist", sagte Sarkozy. Das bis auf den letzten Platz besetzte
Auditorium erhob sich zum Applaus. Angesichts der hohen Zahl der toten
amerikanischen Soldaten hätte Sarkozy allerdings eine Menge Trauerarbeit zu
leisten.
"Ein Freund Amerikas" auch bei unangenehmen Themen
Die
Themen, bei denen die USA und Frankreich nicht einer Meinung sind, packte
Sarkozy nur mit spitzen Fingern an. "Erlauben Sie einem Freund Amerikas
diese Bemerkung", so begann er seinen höflichen Appell, die USA mögen doch
den Kampf gegen den Klimawandel ernster nehmen als bisher. Im Kongress trug
ihm das immerhin den Beifall der Demokraten ein. Bei der Pressekonferenz mit
Bush erwähnte er lediglich in einem Nebensatz, dass man sich "beim Thema
Umwelt" nicht ganz einig sei. Zwar betonten sowohl Bush als auch Sarkozy,
dass man unter Freunden auch Meinungsverschiedenheiten haben könne, aber sie
waren sich auch einig, die möglichst nicht in der Öffentlichkeit auszutragen.
Gemeinsam gegen Iran und Pakistan
Konsens also bei den großen
Themen: Der pakistanische Staatschef Pervez Musharraf soll seine Uniform
aufgeben, der Iran muss überzeugt werden, auf die Atombombe zu verzichten
(wenngleich Sarkozy gern bereit ist, dem Iran zivile Atomtechnologie
zuzugestehen), für Israel und Palästina soll es eine Zwei-Staaten-Lösung
geben, und Menschenrechtsverletzungen in Darfur, Burma sind zu verurteilen.
"Verbündet zu sein, heißt nicht unbedingt, auf einer Linie zu liegen",
betonte Sarkozy zwar. Doch von seinem Beharren auf einer europäischen
Verteidigungspolitik mal abgesehen, hat er sich in Washington nicht all zu
sehr von der Bush-Position distanziert.
Neue "premiere Dame"?
Sarkozy hat aus seiner
Bewunderung für Amerika, dem Land, das Einwanderern eine steile Karriere
ermöglicht, nie einen Hehl gemacht. Sein erster offizieller Besuch in
Washington diente nicht zuletzt dazu, den Teil seiner Regierungsmannschaft
vorzustellen, auf den er besonders stolz ist: den sozialistischen
Außenminister Bernard Kouchner, der in Frankreich der beliebteste Politiker
ist, obwohl ihn Sarkozy bei außenpolitischen Themen schon häufig übergangen
hat; Rama Yade, die 30 Jahre alte Staatssekretärin, die aus dem Senegal
stammt und von Sarkozy gerne als "das Gesicht eines neuen, jungen
Frankreichs" vorgestellt wird, und schließlich die elegante Justizministerin
Rachida Dati maghrebinischer Herkunft, die so häufig in seiner Nähe
auftaucht, dass sie von manchen schon als die "Premiere Dame" in spe
bezeichnet wird.
Distanz trotz Begeisterung
Bei aller Begeisterung für Amerika hat
Sarkozy immer klar gemacht, dass er die Distanz zu wahren weiß. "Wenn ich
das amerikanische Modell wirklich so toll finden würde, würde ich dorthin
umziehen. Aber das ist sicher nicht der Fall", schrieb er in seiner
Wahlkampfschrift "Temoignage".