Der Streit um die Parlamentswahl in Weissrussland spitzt sich zu: Die Opposition boykottiert die Wahl
Eine Woche vor der Parlamentswahl in Weißrussland hat sich die Opposition trotz demokratischer Beteuerungen von Präsident Alexander Lukaschenko zum Boykott entschieden. Zur Begründung teilte das Bündnis Vereinigte demokratische Kräfte am Sonntag in Minsk mit, den Regierungsgegnern sei erneut eine Beteiligung an den regionalen Wahlleitungen verweigert worden, was eine Kontrolle der Stimmenauszählung am 28. September unmöglich mache. Lukaschenko sagte dagegen, sein Land habe sich bei der Organisation einer Wahl noch nie so stark an die Vorgaben des Westens gehalten wie bei diesem Mal.
Seit 1994 an der Macht
Der seit 1994 regierende Staatschef drohte
am Wochenende dem Westen mit einem Abbruch der Beziehungen, sollte die
Parlamentswahl wie bereits früher für "undemokratisch" erklärt werden. Nach
Angaben der weißrussischen Opposition hat sich in der früheren
Sowjetrepublik aber nichts geändert. Weiterhin würden "Kandidaten nicht
gewählt, sondern ernannt", sagte der Vorsitzende des Bündnisses, Winzuk
Wetscherko. Die regierungskritischen Bewerber seien im Wahlkampf massiv
benachteiligt worden. Die Opposition wollte ursprünglich 78 Kandidaten für
die insgesamt 110 Parlamentssitze nominieren. Die Boykott-Entscheidung des
Oppositionsbündnisses sei aber für die Kandidaten nicht bindend, hieß es in
Minsk.
Proteste werden unterbunden
Proteste von Regierungskritikern
wurden in der Vergangenheit wiederholt verboten und mit Polizeigewalt
niedergeschlagen. Bei der Parlamentswahl am Sonntag werden mehrere hundert
ausländische Beobachter im Einsatz sein. In einem Vorbericht notierte die
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) einen
äußerst verhaltenen Wahlkampfauftakt in einem "strikt kontrollierten
Umfeld". Die Behörden verweigerten bisher die Zusage, dass die
Wahlbeobachter auch die Stimmenauszählung verfolgen dürfen.
Lukaschenko kritisierte die Opposition erneut als "arbeitslose Krawallmacher", die vom Volk nicht wählbar seien. "Wir brauchen in unserem Parlament keine Schreihälse, sondern konstruktiv arbeitende Menschen", sagte der Staatschef. Dass der Wahlkampf in seinem Land ruhig verlaufe, sei ein Zeichen für eine "gesunde Gesellschaft".
Beziehungen zu Brüssel
Nach jahrelanger Stagnation war in
den vergangenen Wochen Bewegung in die Beziehungen zwischen Weißrussland und
der Europäischen Union gekommen. Auslöser war die Freilassung der letzten
politischen Häftlinge. Die EU erwägt, Sanktionen aufzuheben. Kritiker werfen
Lukaschenko vor, eine Annäherung an den Westen zu inszenieren, um die eigene
Position bei Verhandlungen mit Russland über neue Kredite sowie über
billigere Energielieferungen zu stärken.