Ein Toter bei Zusammenstößen zwischen Schiiten und Sunniten - vier Menschen verletzt.
Der Machtkampf im Libanon ist weiter eskaliert. Mit Massendemonstrationen bekräftigte die schiitische Hisbollah ihre Rücktrittsforderungen an Ministerpräsident Fouad Siniora. Dieser betonte am Sonntag, seine Regierung werde dem Druck prosyrischer Kräfte auf der Straße nicht nachgeben. Die Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und Sunniten kosteten am Sonntagabend ein erstes Menschenleben.
Schiit erschossen
Ein 20-jähriger Schiit wurde bei Zusammenstößen
im überwiegend von Sunniten bewohnten Viertel Kaskas niedergeschossen. Wer
die tödlichen Schüsse abgab, war zunächst unklar. In dem Viertel war es kurz
zuvor am Rande der von der schiitischen Hisbollah angeführten
Demonstrationen zu ersten gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen.
Proteste bis zum Regierungssturz
Ein mit Demonstranten besetzter
Kleinbus wurde nach Angaben aus Sicherheitskreisen auf dem Weg durch Kaskas
mit Steinen angegriffen. Die Insassen hätten erst durch den Einsatz der
Armee vor der aufgebrachten Menge in Sicherheit gebracht werden können, hieß
es. Die Demonstranten verlangen den Rücktritt der Regierung von
Ministerpräsident Fouad Siniora. Sie erklärten, die Proteste würden bis zum
Sturz der Regierung fortgesetzt.
Die Hisbollah hat eine ganze Serie von Protesten angekündigt, um die Regierung zu Fall zu bringen, die ihrer Ansicht nach westlichen Interessen dient. Auch der christliche Politiker Michel Aoun hat sich mit den Schiiten verbündet. Unter anderem haben die Regierungsgegner ein Zeltlager im Zentrum von Beirut errichtet. Die Hisbollah und die mit ihr verbündete, ebenfalls schiitische Partei Amal fordern zudem ein Drittel der Kabinettsposten. Damit hätten sie ein Vetorecht.
Putschversuch
Sinioras Regierung wird von sunnitischen und
christlichen Parteien gestützt. Sie vermutet hinter den Hisbollah-Protesten
einen Putschversuch, der von Syrien und dem Iran aus gesteuert werde.
Sinioras Koalition will den syrischen Einfluss in der Politik weiter
zurückdrängen. Im vergangenen Jahr führten Massenproteste nach der Ermordung
des ehemaligen Ministerpräsidenten Rafik Hariri zum Abzug der syrischen
Truppen nach fast 30 Jahren Besetzung.
Steinmeier in Beirut
Der deutsche Außenminister Frank-Walter
Steinmeier rief bei seinem Besuch in Beirut alle Beteiligten auf, sich in
der überaus angespannten Lage ihrer Verantwortung bewusst zu sein
.Steinmeier bekräftigte, dass die deutsche Bundesregierung der legitim
gewählten Regierung Siniora beistehe. Er appellierte an alle Parteien im
Libanon, gemeinsam ein freies Land zu schaffen. In einer in mehreren
libanesischen Medien veröffentlichten Erklärung betonte der Minister, die
Beiruter Regierung stehe vor der Herausforderung, die "juristische
Aufarbeitung des Mordes an Rafik Hariri und so vieler anderer
durchzusetzen". Erst vor knapp zwei Wochen fiel Industrieminister Pierre
Gemayel von der christliche Phalange-Partei einem Attentat zum Opfer.
Zum Abschluss seiner fünftägigen Nahost-Reise fliegt Steinmeier am Montag nach Damaskus. Dort will er dem syrischen Präsidenten Bashar al Assad und Außenminister Walid Muallem eine klare Botschaft überbringen: Wenn Syrien sich aus seiner internationalen Isolation befreien will, muss es die Souveränität des Libanons respektieren.