Das Zugpferd der Rechtspopulisten in der Schweiz gerät unter Beschuss. Die eigene Partei fordert den Rücktritt von Christoph Blocher.
Nachdem die aus der Schweizerischen Volkspartei (SVP) ausgeschlossene Kantonalorganisation von Graubünden die Gründung einer neuen bürgerlich-liberalen Partei auf Bundesebene vorbereitet, sieht sich das rechtspopulistische Zugpferd der SVP, der abgewählte Justizminister Christoph Blocher, mit ernsten Warnrufen aus den eigenen Reihen konfrontiert. Der Thurgauer SVP-Nationalrat Peter Spuhler drückte nun den Wunsch aus, Blocher möge "den richtigen Zeitpunkt für einen Rückzug nicht verpassen."
Generationswechsel
Blocher habe die Partei, die aus den
vorjährigen Parlamentswahlen als stärkste Kraft hervorgegangen war, zu ihrer
heutigen Stärke geführt und müsse den Generationenwechsel begleiten, sagte
Spuhler in einem Interview mit dem Zürcher "Tages-Anzeiger" vom Mittwoch. Er
hoffe aber für ihn, dass er im richtigen Moment den Entscheid treffe, sich
zurückzuziehen, "sonst kann er zur Hypothek für die Partei werden." Sinnvoll
findet Spuhler, dass Blocher nicht Parteichef wurde, sondern dessen
politischer Ziehsohn Toni Brunner. Er hielte es aber für klug, ihn als
Vizepräsidenten einzubinden: "Dass Blocher Inputs gibt, ist richtig." Wie
lange er das mache, werde sich zeigen. Wichtig sei nun, dass der neue
SVP-Präsident Brunner noch stärker in die Führungsposition hineinwachse.
"Wir müssen einen anderen Umgang mit kritischen Geistern in den eigenen Reihen finden", unterstrich Spuhler. Leute, die auch einmal eine abweichende Meinung vertreten, seien zu akzeptieren. Davonzulaufen sei der falsche Weg, man müsse für seine Meinung einstehen, sagte der Unternehmer. Die SVP müsse nun wieder auf eine Rückkehr in den Bundesrat (Regierung) hinarbeiten. "Wir müssen dafür kämpfen, spätestens 2011 wieder mit zwei Exponenten im Bundesrat vertreten zu sein", sagte Spuhler. Die SVP müsse "realpolitisch etwas bewegen."
Streit in Graubünden
Die SVP hat ihre
Graubünden-Kantonalorganisation ausgeschlossen, die es abgelehnt hatte,
Blochers Nachfolgerin im Ministeramt, Eveline Widmer-Schlumpf, zu verstoßen.
Diese hatte sich im vergangenen Dezember nach der Abwahl der
SVP-Galionsfigur mit den Stimmen der anderen Parteien in den siebenköpfigen
Bundesrat wählen lassen. Die angestrebte Partei-Neugründung sei in Absprache
mit "liberalen Kräften" in anderen Kantonen in Vorbereitung, gab der Bündner
SVP-Interimspräsident Ueli Bleiker am Montag in Chur bekannt. Auch
Widmer-Schlumpf soll Mitglied der neuen Partei werden. Das zweite
SVP-Regierungsmitglied, Verteidigungs- und Sportminister Samuel Schmid, will
seinerseits der Mutterpartei den Rücken kehren.