Weitere fünf Jahre als Präsident fix

Türkei-Krimi entschieden: Erdogan gewinnt Stichwahl gegen Kilicdaroglu

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Die Türkei hat gewählt, die Entscheidung im Präsidentenwahl-Thriller zwischen Recep Tayyip Erdogan und seinem Herausforderer Kemal Kilicdaroglu ist gefallen.

Der seit 20 Jahren regierende türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan steht vor einer weiteren fünfjährigen Amtszeit. Laut vorläufigem Endergebnis siegte der 69-Jährige am Sonntag in der Stichwahl um das Präsidentenamt, wie Wahlkommissionschef Ahmet Yener am Abend erklärte.

Den vorläufigen Ergebnissen zufolge kam Erdogan in der Stichwahl auf gut 52 Prozent der Stimmen, Kilicdaroglu erhielt knapp 48 Prozent. Der Urnengang am Sonntag war die erste Stichwahl um das Präsidentenamt in der Geschichte des Landes. Im ersten Wahlgang vor zwei Wochen hatte keiner der Kandidaten die erforderliche absolute Mehrheit erhalten. Umfragen vor der ersten Runde hatten den sozialdemokratischen Oppositionschef Kilicdaroglu noch vorn gesehen. Anders als vorhergesagt landete Erdogan dann jedoch knapp fünf Prozentpunkte vor Kilicdaroglu und verfehlte die absolute Mehrheit nur knapp.

Über 70 Prozent der Austro-Türken für Erdogan

In Österreich fiel das Ergebnis am Sonntag noch deutlicher zugunsten Erdogans aus. Nach Auszählung von rund 57 Prozent der abgegebenen Stimmen votierten knapp 74 Prozent der hier lebenden Türken für Erdogan. Zahlreiche Fans des türkischen Präsidenten feierte am Sonntagabend den Wahlsieg auf dem Reumannplatz in Wien Favoriten. Auf Videos in sozialen Netzwerken war zu sehen, wie lautstark Feiernde türkische Fahnen schwenkten. Besondere Vorkommnisse gab es dabei laut Polizei keine. Auch die Verkehrslage sei unter Kontrolle, hieß es auf Anfrage.

Van der Bellen gratuliert

"Ich gratuliere Präsident Erdogan zur Wiederwahl und werde der positiven Entwicklung unserer bilateralen Beziehungen und der Zusammenarbeit unserer beiden Länder im multilateralen Bereich weiterhin besondere Aufmerksamkeit schenken", twitterte Bundespräsident Van der Bellen am Wahlabend. Außerdem habe das große internationale Interesse an den Präsidentschaftswahlen "die wichtige Rolle und Bedeutung des Landes für die europäische Nachbarschaft und für die regionale Stabilität gezeigt", schrieb Van der Bellen weiter.

Kilicdaroglu traurig über Niederlage

"Die Nation hat uns die Verantwortung übertragen, das Land in den kommenden fünf Jahren zu regieren", rief Erdogan vor jubelnden Anhängern in Istanbul. Sein unterlegener Herausforderer Kemal Kilicdaroglu zeigte sich "traurig" über die Folgen von Erdogans Sieg für die Zukunft der Türkei.

Vor dem Sitz von Erdogans AKP-Partei in Istanbul versammelte sich am Abend eine feiernde Menge, Autokorsos fuhren hupend durch die Straßen, auch vor dem Präsidentenpalast in Ankara versammelten sich zahlreiche Erdogan-Anhänger.

Glückwünsche von Putin, Orban, Taliban & Co.

Unterdessen trafen aus dem Ausland Glückwünsche ein. Als einer der Ersten gratuliere der russische Staatschef Wladimir Putin, zu dem Erdogan trotz des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine weiterhin gute Beziehungen unterhält. Erdogans Wahlsieg sei "ein klarer Beweis für die Unterstützung des türkischen Volkes für Ihre Bemühungen, die staatliche Souveränität zu stärken und eine unabhängige Außenpolitik zu verfolgen", erklärte Putin nach Angaben des Kremls.

Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz gratulierte dem Wahlsieger auf Twitter und betonte, Deutschland und die Türkei seien enge Partner und Alliierte. "Nun wollen wir unsere gemeinsamen Themen mit frischem Wind vorantreiben", kündigte Scholz an. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron erklärte, Frankreich und die Türkei hätten "gemeinsam gewaltige Herausforderungen zu bewältigen". Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj äußerte indes seine Hoffnung auf eine Stärkung der Beziehungen zwischen beiden Ländern und der "Zusammenarbeit für die Sicherheit und Stabilität Europas".

Von der Leyen will EU-Türkei-Beziehung ausbauen

"Ich freue mich darauf, die EU-Türkei-Beziehung weiter auszubauen", schrieb EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen am Sonntagabend auf Twitter. Es sei sowohl für die EU als auch für die Türkei von strategischer Bedeutung, "diese Beziehungen zum Wohle unserer Völker voranzutreiben". Auch EU-Ratspräsident Charles Michel sprach Erdogan seine Glückwünsche aus. "Ich freue mich darauf, wieder mit Ihnen zusammenzuarbeiten, um die EU-Türkei-Beziehungen in den kommenden Jahren zu vertiefen", twitterte er. Seine Glückwünsche richtete auch US-Präsident Joe Biden aus.

Offenbar konnten weder die verheerende Wirtschaftskrise noch das scharf kritisierte zögerliche Krisenmanagement Erdogans nach dem Erdbeben im Februar mit 50.000 Toten seine Anhänger davon abhalten, dem islamisch-konservativen Staatschef die Treue zu halten. Zu seinen wichtigsten Wählern gehört die fromme Landbevölkerung im anatolischen Kernland, der Erdogan zu mehr religiöser Freiheit und Wohlstand verholfen hat.

Wird Türkei jetzt noch autoritärer?

Erdogan, einst Hoffnungsträger des Westens, wird vorgeworfen, mit zunehmend harter Hand zu regieren und das Land in den vergangenen zwei Jahrzehnten in eine Autokratie geführt zu haben. Erdogans Wiederwahl könnte nun bedeuten, dass dieser seine Macht weiter zementiert. Sein hartes Vorgehen gegen Andersdenkende und die Inhaftierung zahlreicher Oppositioneller werden in der westlichen Welt mit Sorge gesehen. Auch Erdogans Außenpolitik stößt zunehmend auf Kritik.

Kilicdaroglu und das hinter ihm vereinte Oppositionsbündnis aus sechs Parteien hatten für den Fall eines Wahlsiegs die Wiederherstellung der Demokratie und die Abschaffung des von Erdogan eingeführten Präsidialsystem angekündigt. Noch am Wahltag, nach der Stimmabgabe in Ankara, hatte Kilicdaroglu seine Landsleute dazu aufgerufen, "für echte Demokratie und Freiheit in diesem Land zu stimmen" und "die autoritäre Regierung loszuwerden".

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