Kosovo-Unruhen

Ukrainischer UNO-Polizist erliegt Verletzungen

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Der serbische Außenminister Jeremic protestierte unterdessen bei UNO-generalsekretär Ban und verlangt eine Untersuchung der Gewalt.

Ein ukrainischer UNO-Polizist ist den Verletzungen erlegen, die er bei den gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften der UNO und serbischen Demonstranten in der Stadt Kosovska Mitrovica erlitten hatte. Dies meldete der Sender B-92 am Dienstag unter Berufung auf UNO-Polizeikreise. Rund 70 serbische Demonstranten und 63 UNO-Polizisten waren bei den Unruhen verletzt worden. Ein schwer verwundeter serbischer Polizist befindet sich laut Medien weiterhin in Lebensgefahr.

Der serbische Außenminister Vuk Jeremic richtete unterdessen an UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon einen Protest Belgrads wegen "absolut unannehmbarer und übertriebener" Gewalt der internationalen Sicherheitskräfte in Mitrovica. In einem Schreiben an den UNO-Generalsekretär verlangte er eine Untersuchung der UNO über die Zwischenfälle in der Stadt im Nordkosovo. Außerdem forderte der serbische Außenminister Aufklärung darüber, wie es nach den "erfolgreichen Gesprächen" des serbischen Kosovo-Ministers Slobodan Samardzic mit dem stellvertretenden UNO-Missionschef Larry Rossin am Sonntagabend zum Einsatz von Gewalt gekommen sei.

Schwerste Unruhen seit Unabhängigkeitserklärung
Im Kosovo ist es am Montag zu den schwersten Unruhen seit der Unabhängigkeitserklärung von Serbien vor genau einem Monat gekommen. In der geteilten Stadt Kosovska Mitrovica lieferten sich serbische Demonstranten Auseinandersetzungen mit der UNO-Polizei und Kräften der von der NATO-geführten internationalen Schutztruppe KFOR, bei denen über 130 Personen, darunter 63 UNO-Polizisten, teils schwer verletzt wurden. Die UNO-Polizei zog daraufhin aus der Stadt ab und überließ das Feld den KFOR-Einheiten. Diese haben inzwischen die Kontrolle über den Nordteil der Stadt übernommen. Das Gebiet wurde abgeriegelt, Ein- bzw. Ausreisen wird derzeit nicht genehmigt.

Nationalist Nikolic vergleicht KFOR mit Hitler-Regime
Der amtierende Chef der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS), Tomislav Nikolic, hat das Verhalten der UNO-Verwaltung im Kosovo (UNMIK) und der NATO-Truppe KFOR "auf das Schärfste" verurteilt. Die "brutale Aktion" gegen Serben am heutigen Montag würde ihn an Aktionen erinnern, die das "okkupatorische System von Hitler gegen Bürger Serbiens in Kragujevac, Kraljevo und anderen Orten" während des Zweiten Weltkriegs verübt habe, sagte Nikolic laut der serbischen Nachrichtenagentur Tanjug.

Der "Fehler" der Männer und Frauen in Kosovksa Mitrovica liege darin, "dass sie Serben sind" und nur an ihre alten Arbeitsplätze zurückzukehren wollten. Man könne und dürfe "nicht ruhig zusehen, wie sie unsere Bürger töten und unser Territorium wegnehmen", sagte der Nationalist.

UNO-Gerichtsgebäude gestürmt
In Mitrovica war es am Nachmittag ruhiger. Zwischen 200 bis 300 Serben versammelten sich Medienberichten zufolge trotz starken Regens erneut vor dem Gebäude des Gerichtes der Vereinten Nationen, wo sie die Ankunft von 32 in den Morgenstunden von der UNO-Polizei festgenommenen Justizbeamten abwarten wollten. Diese wurden am Vormittag in Pristina einvernommen und sollen noch im Laufe des Tages freigelassen werden.

Das UNO-Gerichtsgebäude war in der Früh von der Polizei überraschend gestürmt worden. 53 Personen, die am vergangenen Freitag das Gericht besetzt hatten, wurden laut offiziellen Angaben festgenommen. Doch aufgebrachten Demonstranten gelang es, etwa 20 der Festgenommenen zu befreien.

Molotow-Cocktails auf UNO-Soldaten
Danach kam es zu schweren Auseinandersetzungen. Serbische Demonstranten bewarfen die UNO-Kräfte mit Steinen und Molotow-Cocktails, auch Schüsse waren zu hören. Ein Sprecher der UNO-Verwaltung im Kosovo (UNMIK) dementierte anschließend den Einsatz von Schusswaffen vonseiten der Sicherheitskräfte. Ein Sprecher der Kosovo-Polizei bestätigte allerdings gegenüber Medien, dass die UNO-Polizei und die KFOR beschossen worden seien. Nach den Angaben wurden bei den Zusammenstößen 25 UNO-Polizisten verletzt.Mehrere Fahrzeuge gingen in Flammen auf.

In einer bisher ungeklärten Explosion im von Serben bewohnten Nordteil von Mitrovica wurden unterdessen drei UNO-Polizisten und zwei KFOR-Soldaten schwer verletzt. Weitere Details waren zunächst nicht bekannt. Der Belgrader Sender B-92 meldete, dass alle fünf in Lebensgefahr schwebten.

In das Krankenhaus in Nord-Mitrovica wurden über 70 serbische Demonstranten aufgenommen. 15 von ihnen sollen schwere Verletzungen, zum Teil Schusswunden, erlitten haben. Ein serbischer Polizist fiel ins Koma, er wurde nach Belgrad transportiert.

Appell zur Zurückhaltung
Der serbische Staatschef Boris Tadic appellierte an UNO-Polizei und KFOR, sich des Gewalteinsatzes gegen serbische Demonstranten in Mitrovica zu enthalten. "Eine so energische Reaktion bei unangemessenem Gewalteinsatz durch die UNO-Polizei und die KFOR" könne im Zusammenhang mit dem vierten Jahrestag der schweren ethnischen Unruhen von 2004 "eine weitere Eskalation der Konflikte im Kosovo auslösen", warnte Tadic.

Der serbische Kosovo-Minister Slobodan Samardzic rief seinerseits die UNMIK auf, die festgenommenen Justizbeamten freizulassen. Er bezeichnete die UNO-Aktion in Mitrovica als "völlig unzulässig". Die Festnahme der Justizbeamten entspreche keineswegs einer "zivilisierten Handlungsweise". Ein UNMIK-Sprecher teilte unterdessen gegenüber einem lokalen Radiosender in Mitrovica mit, dass die Festgenommenen nach einer Gerichtsverhandlung "bald" wieder freigelassen würden. Nach Angaben der Kosovo-Polizei wurden 32 Festgenommene in die Kosovo-Hauptstadt Pristina verlegt, die anderen waren von den Demonstranten befreit worden.

Internationale Reaktionen
Die UNO, die Europäische Union und Großbritannien verurteilten die Ausschreitungen. Gewalt sei "inakzeptabel und keine Lösung", sagte ein EU-Kommissionssprecher in Brüssel. Russland, das sich einer Unabhängigkeit des Kosovo widersetzt, forderte wiederum eine "Überprüfung" der Situation im Kosovo "im Rahmen des internationalen Rechts". "Die Ereignisse von Mitrovica können nicht isoliert von der Gesamtlage in der Provinz betrachtet werden", sagte der Sprecher des russischen Außenministers Michail Kaminin. Ein NATO-Sprecher betonte, die KFOR werde "entschieden" auf die Gewalttätigkeiten antworten.

Am Tag der Unruhen in Mitrovica hielten in Belgrad einige hundert Anhänger mehrerer nationalistischer Organisationen und Mitglieder eines Verbandes serbischer Flüchtlinge aus dem Kosovo eine Demonstration zum vierten Jahrestag der ethnisch motivierten Gewalt im Kosovo 2004 ab. Der Protest, an dem Medien zufolge auch rund 100 Fußball-Hooligans teilnahmen, wurde von einem starken Polizeiaufgebot bewacht.

Beim Gewaltausbruch am dem 17. März 2004 waren im Kosovo 19 Personen - acht Serben und elf Albaner - ums Leben gekommen. Rund 4.000 Kosovo-Serben wurden aus ihren Heimen vertrieben, ihre Häuser und Dutzende serbisch-orthodoxe Kirchen und Klöster wurden in Brand gesetzt.

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Mitrovica liegt zwar im Kosovo, ist aber serbisch dominiert.

Französische Soldaten stellen sich gegen die Demonstranten, um das Gerichtsgebäude der UNO zu schützen.