NATO-Luftangriff

Untersuchung nach zivilen Toten

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Heftige Kritik an deutscher Bundeswehr nach Afghanistan-Luftangriff.

Nach dem verheerenden NATO-Luftangriff im Norden Afghanistans mit Dutzenden von Toten sieht sich die deutsche Bundeswehr harter Kritik ausgesetzt. Der schwedische Außenminister Carl Bildt sagte am Samstag namens der EU-Ratspräsidentschaft in Stockholm zu dem Bombenangriff: "Wir gewinnen diesen Krieg nicht, indem wir töten". Spaniens Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero bezeichnete den Luftschlag im spanischen Rundfunk als "nicht hinnehmbar". Unter den Verletzten waren nach Angaben von US-General Stanley McChrystal auch Zivilpersonen. Der Oberkommandierende der US- und NATO-Truppen in Afghanistan sprach am Samstag auf einer Pressekonferenz in Kunduz von einem "ernsten Vorfall", der zeigen werde, ob die NATO zu Transparenz bereit sei.

Über 100 Tote
Nach Angaben von Dorfbewohnern werden über 100 Tote beklagt. Stammesälteste sprachen am Samstag sogar von bis zu 150 Zivilisten, die bei dem Luftangriff auf zwei von Taliban-Rebellen entführte Tankwagen umgekommen seien. Am Samstag ist auf die deutschen Truppen nordöstlich von Kunduz ein Selbstmordanschlag verübt worden. Dabei wurden fünf Soldaten und ein einheimischer Dolmetscher verletzt, wie die Bundeswehr mitteilte.

Ermittlungsverfahren
Die Staatsanwaltschaft Potsdam prüft, ob ein Ermittlungsverfahren gegen den für den Luftangriff verantwortlichen deutschen Kommandanten eingeleitet werden muss. Der Leitende Oberstaatsanwalt Heinrich Junker, sagte der Zeitung "Bild am Sonntag": "Wir prüfen einen Anfangsverdacht wegen eines eventuellen Tötungsdelikts gegen den deutschen Oberst, der diesen Luftangriff befohlen beziehungsweise angefordert hat." Oberst Georg Klein hatte am Freitag beim Hauptquartier der NATO-geführten internationalen Schutztruppe ISAF Luftunterstützung angefordert, nachdem die Taliban zwei Tanklastzüge entführt hatten. Er befahl auch den Angriff. Dabei kamen Dutzende Menschen ums Leben. Die Bundeswehr spricht von mehr als 50 getöteten Aufständischen. Der afghanische Präsident Hamid Karzai teilte mit, es seien "rund 90 Menschen getötet oder verletzt" worden.

Aufklärung gefordert
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) forderte in der "Bild am Sonntag" restlose Aufklärung. "Gegen verbrecherische Terroristen muss entschieden vorgegangen werden. Gleichzeitig müssen wir aber alles tun, um unschuldige zivile Opfer zu vermeiden." Der FDP-Verteidigungsexperte Jürgen Koppelin verlangte eine ehrliche Debatte über den deutschen Afghanistan-Einsatz, bei dem es sich um einen Krieg handle. Linken-Fraktionschef Gregor Gysi kritisierte die Informationspolitik: "Während in Afghanistan die toten und verletzten Zivilisten betrauert werden, versucht sich die Bundeswehrführung und das Verteidigungsministerium weiter im Verschleiern."

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