Die Mehrheit der Briten unterstützt ein eigenes Parlament für England, wie es Schottland und Wales bereits seit Jahren haben.
Ausgerechnet im 300. Jahr der Union zwischen England und Schottland mehren sich Zweifel am Fortbestand des Vereinigten Königreichs. Nachdem 1998 Schottland und Wales durch die so genannte Devolution ihre eigenen Parlamente mit weit reichenden Befugnissen erhalten haben, unterstützt eine Mehrheit nun auch ein eigenes Parlament für England: 61 Prozent der Engländer, 51 Prozent der Schotten und 48 Prozent der Waliser sprachen sich in einer am Dienstag veröffentlichten BBC-Umfrage dafür aus.
Drohende "Balkanisierung"
Warnungen von Schatzkanzler
Gordon Brown vor einem drohenden Zerfall des Vereinigten Königreichs wurde
durch die Umfrage freilich nicht bestätigt. Demnach wollen auch 56 Prozent
der Schotten den Fortbestand der Union. Unter den Engländern sind es sogar
73 Prozent. Brown, selbst Schotte, hatte am Wochenende in dramatischen
Worten vor einer drohenden "Balkanisierung" gewarnt.
Hintergrund ist der Wahlkampf für das schottische Parlament, das im Mai neu gewählt wird. Die Schottische Nationalpartei, die für die Unabhängigkeit von England eintritt, liegt in allen Umfragen in Führung. Bei einem Wahlsieg verspricht sie den Schotten eine Volksabstimmung über ihre weitere Zukunft. Derzeit wird Schottland von einer Koalition aus Labour und Liberaldemokraten regiert.
Mächtige Schotten in London
Zu den prominentesten
Unterstützern der schottischen Nationalisten gehört der Schauspieler Sean
Connery, der sich freilich die meiste Zeit des Jahres vor dem schottischen
Regen in seinem Anwesen auf der Karibik in Sicherheit bringt. Schotten sind
an zahlreichen Schaltstellen der Macht in London zu finden: Mit
Schatzkanzler Brown, Innenminister John Reid und Transportminister Douglas
Alexander sind sie auch in der Regierung prominent vertreten.
Labour lehnt ein eigenes Parlament für England ab, weil man darin einen Schritt zum Zerfall des Vereinigten Königreichs sieht. Alexander: "Die größte Errungenschaft der "Devolution" ist, dass die einzelnen Nationen des Vereinigten Königreichs ihre eigene Identität erhalten haben, ohne dass die Union aufgelöst wird." Die Konservativen hingegen neigen immer mehr dazu, ein englisches Parlament zu fordern. Allerdings hat bisher niemand die Frage beantworten können, welche Befugnisse dann noch dem Westminster-Parlament bleiben.
Politische Eigeninteressen
Hinter den Positionen der beiden
Parteien steht aber vor allem politisches Eigeninteresse: Labour hätte ohne
die Stimmen aus Schottland keine Mehrheit, umgekehrt existieren die
Konservativen politisch seit den Tagen Margaret Thatchers nur mehr südlich
des Hadrian-Walls. Bei der letzten nationalen Parlamentswahl 2005 konnten
die Tories in Schottland genau einen Sitz erobern. Das galt schon als
Erfolg: Acht Jahre lang hatten die Konservativen gar keinen schottischen
Abgeordneten.