Dörfer zerstört

Zahl der Toten bei Erdbeben in Afghanistan stieg auf mehr als 2.500

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Nach mehreren starken Erdbeben in Afghanistan sind laut einem Bericht inzwischen fast 2.500 Todesopfer zu beklagen.

Mehr als 2000 weitere Menschen seien in der Grenzprovinz Herat im Westen des Landes verletzt worden, berichtete der afghanische Sender Tolonews am Sonntagabend unter Berufung auf offizielle Statistiken. Es werde befürchtet, dass die Opferzahlen weiter steigen, hieß es weiter.

Samstag früh hatten mehrere Erdbeben Bewohner der afghanischen Grenzprovinz nahe dem Iran aufgeschreckt. Innerhalb von nur wenigen Stunden zitterte die Erde neun Mal, mehr als ein Dutzend Dörfer wurden weitgehend zerstört. Militär und Rettungsdienste eilten in die Katastrophengebiete. Die beiden schwersten Beben hatten laut der US-Erdbebenwarte USGS eine Stärke von 6,3.

Mehr als 9.240 Personen verletzt

Mehr als 9.240 Personen seien laut offizieller Zählung bisher verletzt worden. Es wird aber mit noch deutlich höheren Opferzahlen gerechnet. Mehr als 1.300 Häuser stürzten nach Behördenangaben wegen der Beben in der Region um die Stadt Herat ein. "Für die Behandlung der Opfer dieses Vorfalls tun wir unser Bestes", sagte der Sprecher der Katastrophenschutzbehörde der Taliban, Mullah Janan Sajek.

Unterdessen ging die verzweifelte Suche nach Überlebenden weiter. Weit über zehntausend Bewohner der am stärksten betroffenen Provinz, die im Norden auch an Turkmenistan grenzt, könnten bei den Beben verletzt worden sein. Die Sorge ist groß, dass die Opferzahl in den kommenden Tagen noch weiter steigen wird.

"Es war unerträglich"

"Es war unerträglich. Wir sahen fünf, sechs Dörfer. Sie sind dem Erdboden gleich", erzählte etwa Mohammed Rafik Shirsai per Sprachnachricht. Der erfahrene Mediziner ist Teil eines Rettungsteams in Westafghanistan. "Man kann den Unterschied zwischen einem Haus und einer Straße nicht mehr sehen", erzählt Shirsai weiter. "Unter jedem Stück Erde könnte ein Mensch sein, der sein Leben verloren hat und den niemand mehr retten kann. Leider waren wir nicht mehr in der Lage zu helfen", beschreibt der Arzt die bedrückenden Szenen. Videos in den sozialen Medien zeigten Rettungskräfte mit Bulldozern vor Ort und Helfer, die teils nur mit ihren Händen nach Vermissten gruben.

Trümmer seien auf viele Menschen gestürzt und hätten ihnen das Atmen unmöglich gemacht. "Die Zahl der Todesopfer ist viel höher als das, was Sie gehört haben. In einem Dorf zum Beispiel, in dem tausend Menschen lebten, heißt es jetzt, dass nur noch 20 Menschen am Leben sind. Sie verstehen das Ausmaß der Katastrophe", so Shirsai.

13 Dörfer komplett zerstört

13 Dörfer in der stark betroffenen Grenzprovinz Herat sind Behördenangaben zufolge komplett zerstört worden. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) waren von der Erdbeben-Katastrophe insgesamt rund 4.200 Menschen betroffen, mindestens 600 Häuser wurden zerstört. Alleine in das größte Krankenhaus der Provinzhauptstadt Herat seien gut 200 Tote und rund 700 Verletzte gebracht worden, hieß es aus medizinischen Kreisen.

UNO-Generalsekretär António Guterres zeigte sich bestürzt und sprach den Hinterbliebenen der Opfer sein Beileid aus, wie UNO-Sprecher Stephane Dujarric in New York erklärte. Guterres rief die internationale Gemeinschaft auf, die vom Erdbeben betroffene afghanische Bevölkerung vor allem mit Blick auf den kommenden Winter zu unterstützen.

Der gut vernetzte afghanische Journalist Bilal Sarwari teilte auf der Plattform X, ehemals Twitter, Videos von den Rettungsarbeiten. Die Bilder zeigten Häuser, die komplett in Trümmern lagen. "Die ruhige Schönheit von Herat wurde durch ein unbarmherziges Erdbeben zerstört, das ganze Dörfer in Schutt und Asche gelegt hat", schrieb Sarwari.

Mindestens acht Beben innerhalb kurzer Zeit

Am Samstagmorgen hatten mindestens acht Beben innerhalb kurzer Zeit die Grenzregion nahe dem Iran erschüttert. Die US-Erdbebenwarte USGS bezifferte die Stärke auf Werte zwischen 4,6 und 6,3. Die Erdstöße ereigneten sich nordwestlich der afghanischen Grenzstadt Herat, in einer geringen Tiefe von rund zehn Kilometern.

Auch im Nachbarland Iran waren die Beben zu spüren. Bewohner der rund 300 Kilometer von der Erdbebenzone entfernten Millionenmetropole Maschhad im Iran erzählten, dass Häuserwände gezittert hätten. Auch dort setzten die Behörden Rettungsdienste in Alarmbereitschaft und schickten Teams an die Grenze, um mögliche Schäden zu untersuchen.

Immer wieder ereignen sich schwere Erdbeben in der Region, wo die Arabische, die Indische und die Eurasische Platte aufeinandertreffen. Bei einem verheerenden Beben kamen 2022 in Afghanistan mehr als 1.000 Menschen ums Leben. Nach mehreren Jahrzehnten der Konflikte sind viele Häuser schlecht gebaut. Erdbeben richten daher oft große Schäden an.

Taliban wieder an der Macht

Seit mehr als zwei Jahren sind die Taliban wieder an der Macht, das Land ist wegen seiner repressiven Politik, die vor allem Frauen und Mädchen diskriminiert, international politisch isoliert. Auch das ist ein Grund, warum Rettungsarbeiten teils schwierig vorankommen.

Die österreichische Caritas rief zu Spenden auf. "Es braucht jetzt das Notwendigste: Trinkwasser, Nahrung, medizinische Versorgung und Notunterkünfte. Jede Minute zählt, um Menschenleben zu retten", so Caritas Auslandshilfe-Generalsekretär Andreas Knapp.

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