Zugunglück in Spanien

Lokführer wurde Richter vorgeführt

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Helfer: 52-Jähriger konnte nach eigenen Angaben nicht bremsen.

Vier Tage nach dem verheerenden Zugsunglück in Nordspanien ist der Lokführer am Sonntag einem Richter vorgeführt worden. Der 52-jährige Francisco wurde nach Angaben eines AFP-Reporters am Abend in einem Polizeiwagen vor Gericht in Santiago de Compostela vorgefahren, wo er zu der Katastrophe mit 79 Toten befragt werden sollte. Dem Lokführer wird fahrlässige Tötung vorgeworfen.

Die Ermittler vermuten, dass der Mann für die deutlich überhöhte Geschwindigkeit des Unglückszuges verantwortlich sein könnte. Der Schnellzug soll statt der erlaubten 80 rund 190 Stundenkilometer gefahren sein, als er am Mittwochabend in einer Kurve nahe dem Wallfahrtsort Santiago de Compostela entgleiste. "Es gibt Grund zu der Annahme, dass er für das, was geschehen ist, verantwortlich sein könnte", sagte Innenminister Jorge Fernandez Diaz über den Lokführer. Ob das tatsächlich der Fall sei, müssten nun die Ermittler und der Richter herausfinden.

Der Lokführer war nach dem Unglück mit leichten Verletzungen ins Krankenhaus gekommen. Am Samstag wurde er in ein Polizeirevier gebracht. Vor seiner Einlieferung ins Krankenhaus sagte er nach Angaben eines Helfers, dass er den Zug nicht habe bremsen können.

Santiago: Tragisches Zugsunglück in Spanien

"Er sagte, dass er auf 80 Stundenkilometer hätte abbremsen müssen, aber dass er nicht konnte. Dass er zu schnell war", berichtete im Fernsehen Evaristo Iglesias. Der Anrainer hatte dem Lokführer nach dem Unglück geholfen und ihn von den Zugtrümmern weggeführt. "Er hat immer wieder gesagt: 'Ich will sterben, ich will sterben. Ich will das nicht sehen.'"

In Spanien muss ein Verdächtiger nach spätestens 72 Stunden Gewahrsam von einem Richter angehört werden. Der Lokführer war am Freitag erstmals von der Polizei vernommen worden. Er weigerte sich aber, die Fragen der Ermittler zu beantworten. Nach Angaben der staatlichen Bahngesellschaft Renfe arbeitete der Mann seit 30 Jahren für sie, darunter 13 Jahre als Lokführer. Die Unglücksstrecke habe er gut gekannt, er sei sie zuvor 60 Mal gefahren.

Der Schnellzug war am Mittwochabend in einer Kurve in der Nähe von Santiago de Compostela entgleist und gegen eine Betonmauer geprallt. Bei dem Unglück starben nach neuen Angaben 79 Menschen. Ein Passagier, der mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert worden war, sei seinen Verletzungen erlegen, teilten die Behörden mit. Zudem waren am Sonntag noch immer 70 Menschen im Krankenhaus, insgesamt waren bei der Zugkatastrophe fast 200 Menschen verletzt worden. Für die Opfer soll es am Montag einen Trauergottesdienst in dem Wallfahrtsort geben.

Neben einem möglichen Fehlverhalten des Lokführers untersuchen die Ermittler nach Angaben der Zeitung "El Pais" auch mögliche Mängel am Bremssystem. Das automatische Überwachungssystem der Bahn habe zwar wegen überhöhter Geschwindigkeit Alarm geschlagen, und der Lokführer habe danach auch gebremst, dies aber viel zu spät. Die Bahngesellschaft Renfe hatte ein technisches Versagen am Zug kategorisch ausgeschlossen.

Nach Angaben der Lokführer-Gewerkschaft ist der größte Teil der betroffenen Strecke durch Galicien mit einem automatischen Geschwindigkeitskontrollsystem ausgerüstet. Allerdings ende dieses System genau vier Kilometer vor Santiago de Compostela.
 

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