Notfalls wollen die Investoren eine Amtshaftungsklage gegen die Republik einbringen, um wenigstens einen Teil ihres Geldes wiederzusehen.
Die Aufarbeitung der Meinl-Affäre weitet sich zu einer Prozesslawine aus: Neben den seit einem Jahr laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien gegen Julius Meinl und Konsorten rollt laut "Kleine Zeitung" ein Bündel millionenschwerer Zivilklagen auf die Gerichte zu. Dabei geht es um Feststellung bzw. Leistung von Schadenersatz und um die mögliche Amtshaftung der Republik.
Staat soll für Meinl einspringen
Betreiber dieser Klagen ist
eine Arbeitsgemeinschaft mehrerer Rechtsanwälte aus Wien und Graz (u.a.
Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer und der auf Banken spezialisierte Grazer
Anwalt Harald Christandl). Sie fordern nicht nur von der Meinl-Bank
Schadenersatz, sondern wollen - für den Fall, dass Meinl nicht zahlt oder
nicht zahlen kann - die Republik Österreich haften lassen.
Machte FMA Fehler?
Als Grund werden Fehlleistungen der
Finanzmarktaufsicht geltend gemacht: Die Bankenaufsicht hat demnach bei der
Prüfung und Genehmigung des Meinl-Kapitalmarktprospektes und im Zusammenhang
mit der Börsenzulassung fehlerhaft gearbeitet. So habe man zugelassen, dass
die Investmentfirma Meinl European Land eine "rechtswidrige und suggestive"
Werbung für ihre Zertifikate betrieben habe. Es wurde damit geworben, dass
mit stabilen Kursen zu rechnen sei. Allerdings brachen die Kurse im Sommer
2007 massiv ein.
Musterprozess mit Folgen
Der Ausgang dieses Prozesses ist von
großer Bedeutung: Vorerst wird nur in einem Einzelfall eine Musterklage mit
einem Streitwert von rund 30.000 Euro eingebracht, im Erfolgsfall wollen die
Anwälte aber sämtliche Schäden von Meinl-Anlegern einklagen.
Gutachter auch geklagt
Ins Visier gerät auch der
Wirtschaftssachverständige Philip Göth: Er hatte 2006 im Auftrag von MEL ein
Gutachten erstellt, das den Zertifikaten die Eignung für
Mündelgeld-Veranlagung attestiert. Zwar spricht das Göth-Papier von
"Beimischung", einem "sinnvollen Portfoliomix" und "teilweiser Veranlagung
von Mündelgeld", diese Einschränkungen waren aber für Kunden schwer
erkennbar. Nun wird auch Göth auf Schadenersatz geklagt: Ihm habe bewusst
sein müssen, dass sein Gutachten der Bewerbung diene und dass es
Missverständnisse geben könne. Deshalb treffe ihn die Verantwortung für
missverständliche Formulierungen.
Betrug und Untreue?
Unterdessen kommt auch in die strafrechtliche
Seite der Affäre neue Bewegung. Die Wiener Staatsanwaltschaft ermittelt
gegen Julius Meinl und drei Vorstandsmitglieder der MEL wegen des Verdachts
auf Betrug, irreführender Werbung, Verschweigung von Risikofaktoren,
Verschweigung von Zertifikatsrückkäufen und wegen Untreue-Verdachts. Der
Wiener Wirtschaftstreuhänder Thomas Havranek soll jetzt für die Behörde ein
Gutachten erstellen.
Unter anderem soll Havranek klären, ob und in welchem Umfang die MEL und andere Meinl-Firmen dem Corporate-Governance-Kodex unterliegen und ob sie unter Verletzung dieser Richtlinien "Handlungen zum Nachteil von Aktionären und Zertifikatsinhabern" gesetzt haben. Der Experte soll auch untersuchen, ob die Verdächtigen "Verhältnisse der Gesellschaft oder mit ihr verbundener Unternehmen unrichtig wiedergegeben, verschleiert oder verschwiegen haben".