Timo Herzberg

Schwere Vorwürfe

Signa: Gefeuerter Top-Manager tätigte dubiose Deals

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Der Ex-Vorstandschef der Signa Prime und der Signa Development soll der Gruppe mit fragwürdigen Geschäften geschadet haben.

Allmählich kommt Licht in die Causa rund um die fristlose Entlassung des Top-Managers Timo Herzberg bei der angeschlagenen Immobiliengruppe Signa. Der diese Woche kurzfristig gefeuerte CEO der beiden wichtigsten, noch nicht insolventen Gesellschaften Signa Prime und Signa Development soll sich mit dubiosen Deals zulasten der Firmengruppe bereichert haben, berichtet das deutsche "Handelsblatt" (Mittwoch). Eine Strafanzeige steht im Raum. Herzberg bestreite sämtliche Vorwürfe.

Während seiner Tätigkeit im Immobilien-Imperium des Tirolers René Benko soll der deutsche Manager Privatgeschäfte abgewickelt haben. Jetzt droht ihm eine Strafanzeige, wie sowohl der "Kurier" als auch die "Süddeutsche Zeitung" in ihrer Mittwochsausgabe berichten. Wie Insider laut "Kurier" versichern, werde auf die fristlose Entlassung auch eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft erfolgen. "Eine Anzeige wird eingebracht", sage ein Insider. "Er war quasi Vermieter und Mieter in einer Person. Er soll im konkreten Fall für seine Firma eine Miete deutlich unter dem Marktpreis ausgemacht haben." Der angebliche Schaden aus dem Mietvertrag soll "in Höhe eines niedrigen zweistelligen Millionenbetrag liegen".

Timo Herzberg

Timo Herzberg

© Signa

Immobilie  an sich selbst vermietet

Herzberg soll, etwas vereinfacht ausgedrückt, eine Signa-Immobilie in Berlin gewissermaßen an sich selbst vermietet haben, schreibt auch die "Süddeutsche Zeitung". Etwas genauer gesagt, an eine Firma in Berlin namens Havit, hinter der über Umwege auch Herzberg selbst gestanden haben soll. Diesem Verdacht wolle Signa offenbar eine Strafanzeige folgen lassen, so die "SZ". "Erst einmal gilt aber die Unschuldsvermutung." Beim Rauswurf sollen Herzberg sein Handy und sein Laptop abgenommen worden sein.

Auf Nachfrage des "Kurier" bei Herzberg, ob es zutreffe, dass dieser einen Schaden in Millionenhöhe bei der Signa verursacht habe, habe dessen österreichischer Rechtsanwalt Georg Muhri geantwortet: "Die im Raum stehenden Vorwürfe sind haltlos und werden von Timo Herzberg entschieden zurückgewiesen. Mit Blick auf das laufende Verfahren bitte ich um Verständnis, dass wir derzeit keine weiteren Kommentare dazu abgeben können."

Signa hatte Montagabend als Grund für die Fristlose einen "Verdacht auf grobe Pflichtverletzungen" genannt, ohne nähere Angaben zu machen. In einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung war Herzberg "mit sofortiger Wirkung seiner Funktionen enthoben und mit sofortiger Wirkung außerordentlich und fristlos gekündigt" worden. Die Verdachtslage sei eindeutig gewesen "und ließ den Aufsichtsräten keine andere Wahl", hatte es kryptisch geheißen. Zuvor soll es bei der Signa wochenlange interne Untersuchungen gegen Herzberg & Co. gegeben haben, so der "Kurier".

Grossnig  folgt nach

Als Nachfolger von Herzberg wurde der österreichische Sanierungsexperte Erhard Grossnig eingesetzt. Der 77-Jährige arbeitet seit Anfang Dezember im Vorstand der Signa Prime und der Signa Development. Manche Beobachter beschreiben ihn laut "Handelsblatt" als Vertrauensmann von Benko mit wenig Erfahrung auf dem Immobiliensektor.

Herzberg und zwei Partner haben heuer im Sommer ein Firmengeflecht aufgezogen, wie laut "Handelsblatt" Unterlagen aus dem Handelsregister zeigen. Geschäfte jener Unternehmen mit Signa sollen nun im Zentrum der Vorwürfe stehen. Sie sollen zu Vorzugskonditionen abgewickelt worden sein, wie mehrere mit den Vorgängen vertraute Insider dem "Handelsblatt" erklärten.

Der gestürzte Vorstandschef bestreite jedes Fehlverhalten. "Die im Raum stehenden Vorwürfe sind haltlos und werden von Herrn Herzberg entschieden zurückgewiesen", sagt sein Anwalt auch laut der deutschen Wirtschafts- und Finanzzeitung. Bis Montagabend war Herzberg der wichtigste Manager der Signa-Gruppe, verantwortlich für die wertvollsten Immobilien im Imperium von Benko.

Im Kern geht es um die Firma Havit und ihre Tochterfirmen, wie die deutsche "Frankfurter Allgemeine Zeitung" bereits am Dienstag vermutete. Havit will nach eigenen Angaben Büroflächen anbieten, die auch ein Wellnessangebot beinhalten. So soll eine Havit-Gesellschaft unter anderem Flächen für einen Fitnessklub mit Sauna und Konferenzräumen im von Signa entwickelten Berliner Bürokomplex "Beam" angemietet haben, der im März 2024 eröffnet werden sollte und mittlerweile dem deutschen Transportlogistiker und Milliardär Klaus-Michael Kühne gehört.

Nach Angaben von informierten Personen soll Havit dabei "eine deutlich unter dem Marktwert liegende Miete" gezahlt haben. Zudem habe die Havit-Gesellschaft von der Signa-Gruppe ungewöhnlich hohe Vermieterzuschüsse für den Innenausbau der rund 1.500 Quadratmeter erhalten, schreibt das "Handelsblatt".

Wirbel um Mietvertrag  

Der abgeschlossene Mietvertrag zwischen der Signa und Havit soll zu "sehr günstigen Konditionen" für Herzbergs Firma geführt haben, berichtet auch der "Kurier". Die entsprechende Fläche werde gerade ausgebaut, heißt es. Doch der Signa-Aufsichtsrat soll weder über dieses Geschäft informiert worden sein, noch soll er diesen mutmaßlichen "Insider-Deal" abgesegnet haben.

Die Havit gehört Herzberg zu 60 Prozent, jeweils 20 Prozent halten zwei 29-Jährige. Alle drei Männer waren in der Signa-Gruppe tätig. Sie arbeiteten sich dem "Handelsblatt" zufolge offenbar über Jahre zu.

Die beiden deutschen Signa-Mitarbeiter sollen Herzberg bei seinen "Privatgeschäften" zur Hand gegangen und zugleich auch Mitgesellschafter sein, schreibt der "Kurier". Dem Duo soll Signa am Dienstag gekündigt haben. Der 47-jährige Timo Herzberg hat die Firma Havit Spaces Holding GmbH laut der Zeitung heuer im Februar ins Handelsregister in Berlin-Charlottenburg eintragen lassen, die wiederum drei Tochterfirmen gründete.

Einer der beiden involvierten Signa-Mitarbeiter sei Geschäftsführer der Havit Spaces Holding, konkretisiert der "Kurier". Herzbergs Cherry Capital GmbH halte laut Creditreform 60 Prozent der Anteile am Unternehmen. Den Rest teilten sich Gesellschaften der beiden Signa-Mitarbeiter.

Der 47-jährige Manager Herzberg hatte dem "Handelblatt" zufolge 2016 als Chief Operating Officer (COO) bei der Signa Prime Selection angefangen und war 2018 zum CEO für das Deutschlandgeschäft der Signa befördert worden. Mitte 2021 setzte Benko ihn an die Spitze der Signa Prime und der Signa Development. In der Prime liegen die Top-Immobilien der Signa, darunter beispielsweise der Elbtower in Hamburg, die Alte Akademie in München und das Goldene Quartier in Wien. Die Development bündelt die großen Immobilienentwicklungen der Gruppe.

Herzberg sei zum Gesicht von Signa geworden. "Wann immer die Gruppe ein neues Bauprojekt vorstellte, stand Herzberg auf der Bühne. Fotos zeigen ihn etwa im Februar 2018 bei der Präsentation des Prestigeprojekts Elbtower neben Hamburgs damaligem Ersten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD)", berichtet das "Handelsblatt".

Über Jahre habe Herzberg nicht nur als wichtigster Vertrauensmann von Benko, sondern auch als besonders erfolgreich gegolten. 2022 verteilten Signa Prime und Development dem Bericht zufolge 28 Mio. Euro als Boni an ihre Manager. Herzberg erhielt davon Insidern zufolge 80 Prozent - also 22 Millionen.

In den vergangenen Wochen dürfte das Verhältnis Herzbergs zu Benko deutlich abgekühlt sein. Bei Unstimmigkeiten zum Sanierungsvorgehen und zur Meldung der Insolvenz positionierte er sich laut Informationen der Tageszeitung "Presse" immer mehr als Gegenspieler des Tirolers. Er sei mit der Insolvenzmeldung der deutschen Immobilientochter Signa Real Estate Germany vorgeprescht. Bis dahin habe es wohl noch keine Einigkeit über das weitere Vorgehen inmitten der Schieflage gegeben. Es sei unklar gewesen, ob die Insolvenzwelle des Signa-Konstrukts von unten starte, also den Töchtern, oder von oben, also der Holding, so die Zeitung. In Deutschland sind die Meldungsfristen nur halb so lang wie in Österreich, und Manager haften in beiden Ländern bei einer Überschreitung der jeweiligen Frist persönlich.

Einer der 29-jährigen Partner Herzbergs heuerte seinem LinkedIn-Profil zufolge im September 2017 bei Signa an. Er arbeitete in unterschiedlichen Positionen - unter anderem als "Chief of Staff" des Geschäftsführers Herzberg. Auch der andere 29-Jährige soll mit Herzberg zusammengearbeitet haben. Er ist nach außen das Gesicht der Havit, die nun im Zentrum der Vorwürfe steht. Die beiden 29-Jährigen ließen Fragen des Handelsblatts zunächst unbeantwortet.

Sämtliche Firmen im Havit-Netzwerk sind laut "Handelsblatt" erst wenige Monate alt. Herzberg und seine Partner übernahmen die Muttergesellschaft im April. Seit Juni firmiere sie unter ihrem Namen, seit Oktober an ihrem Sitz unweit des Berliner Alexanderplatzes.

Doch so schnell Havit auftauchte, so schnell taucht sie aktuell auch wieder unter. Die Firmenwebseite, die laut der Zeitung noch am Montagabend online war, haben die Verantwortlichen offenbar abgeschaltet. Spuren fänden sich nur noch auf einem Profil von Havit in dem sozialen Netzwerk LinkedIn. Dort heiße es, das Unternehmen wolle Locations bieten, die "hochmoderne Workout-, Spa-, Konferenz- und Veranstaltungsräume" vereinten. Der erste Standort sollte demnach im Herbst 2024 in Berlin-Mitte eröffnen. In einem Beitrag von April kündigte das Unternehmen zudem an, dass das Team "hinter den Kulissen" an "weiteren spannenden Projekten" arbeite, um das "Havit-Erlebnis" auf weitere Standorte auszuweiten.

Herzberg schrieb bei LinkedIn über Havit: "Mit einem Mix aus Workout, Spa sowie Präsentations- und Eventflächen schafft die neue Marke nie da gewesene Möglichkeiten für alle und definiert das Zusammenspiel von New Work und Wellbeing neu." Ein Manager der Signa-Gruppe kommentierte: "Interessantes Konzept. Bin gespannt auf die Eröffnung."

Der Verdacht betrifft laut "Handelsblatt" auch Herzbergs großes Hobby: Sportwagen. Der 47-Jährige sei großer Porsche-Liebhaber, zahlreiche Fahrzeuge sollen in einem Signa-Gebäude in der Berliner Rankestraße nahe dem Kaufhaus des Westens (KaDeWe) stehen. Zudem soll er für die Parkgebühren einen ungewöhnlich niedrigen Betrag im Monat zahlen.

Während Herzberg seinen Platz bei Signa räumen musste, sei er mit der Familie Benko weiterhin verbunden. Herzberg gehöre mittelbar auch die Supra Investco GmbH & Co. KG aus Innsbruck. Bei der ist als Komplementär die Supraholding GmbH eingetragen, die ebenfalls in Innsbruck sitzt. Die Supraholding gehört wiederum der Familie Benko Privatstiftung.

Möglicherweise geht der Rauswurf Herzbergs auf Recherchen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zurück, erinnert die "Süddeutsche Zeitung". Die "FAZ" berichtete, sie habe Montagfrüh die Aufsichtsräte der beiden Immobiliengesellschaften Signa-Firmen Signa Prime Selection AG und Signa Development Selection AG mit einem umfangreichen Fragenkatalog zu Verstrickungen von Herzberg konfrontiert. Am Montagabend kam dann bei außerordentlichen Aufsichtsratssitzungen das Aus für den Vorstandschef und ehemals Benko-Vertrauten.

Seit Wochen ringen die Verantwortlichen um die Zukunft des gesamten Signa-Konzerns, der in seinen besten Zeiten Immobilienvermögen in Höhe von 27 Mrd. Euro auswies. Hohe Baukosten, steigende Kreditzinsen und hausgemachte Probleme setzen die Holding und einige der angeschlossenen Gesellschaften seit vergangenem Jahr stark unter Druck. Zahlreiche Signa-Baustellen stehen still, darunter Prestigeprojekte wie der Elbtower und zuletzt auch die Alte Akademie in München. Die Signa Holding, Obergesellschaft von Prime und Development, und weitere Unternehmens des Firmengeflechts sind bereits in Insolvenz, darunter die Signa Real Estate Management Germany GmbH, die wichtigste Servicegesellschaft der deutschen Immobilienprojekte, und seit Dienstag die IT-Gesellschaft der Gruppe, die Signa Informationstechnologie GmbH.

Ziel des Sanierungsverfahrens der Signa Holding seien die geordnete Fortführung des Geschäftsbetriebs und die nachhaltige Restrukturierung des Unternehmens, hatte Signa mitgeteilt. Zu Signa gehört auch der deutsche Warenhausbetreiber Galeria Karstadt Kaufhof mit Tausenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. In seinen besten Zeiten wies der Signa-Konzern ein Immo-Vermögen von 27 Mrd. Euro aus. Die Signa Prime ist nach eigenen Angaben eine der größten Immobiliengesellschaften Europa.

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