Nach knapp zehn Stunden haben sich Arbeitgeber und Gewerkschaft in der fünften Verhandlungsrunde Dienstagabend auf einen neuen Kollektivvertrag für die rund 430.000 Angestellten und Lehrlinge im Handel geeinigt.
Die Gehälter und Lehrlingsentschädigungen steigen laut Aussendungen von Gewerkschaft und Arbeitgebervertretern um mindestens 7 Prozent bzw. mindestens 145 Euro brutto monatlich. Damit sind die Streikdrohungen vom Tisch.
Laut Aussendung der Arbeitgeberseite entspreche dies einer durchschnittlichen Erhöhung um 7,19 Prozent. Die Aussendung der Gewerkschaft spricht von einer durchschnittlichen Erhöhung der Gehälter um 7,31 Prozent, durch den Mindestbetrag von 145 Euro von einer Erhöhung um bis zu 8,67 Prozent. Einig sind sich die Aussendungen aber darin, dass das Einstiegsgehalt um 8,06 Prozent von derzeit 1.800 Euro auf 1.945 Euro im Monat angehoben wird.
Damit steigen auch die Einkommen der Lehrlinge im Handel. Lehrlinge im ersten Lehrjahr erhalten künftig 800 Euro, im zweiten Lehrjahr 1.025 Euro, im dritten Lehrjahr 1.300 Euro und im vierten Lehrjahr 1.350 Euro.
"Für uns war es sehr wichtig, dass wir einen dauerhaft wirksamen Gehaltsabschluss über der zugrunde gelegten Inflationsrate für alle und eine stärkere Anhebung der unteren Gehaltsgruppen erreichen konnten. Eine Einmalzahlung wäre auf Perspektive ein riesiges Verlustgeschäft für die Beschäftigten gewesen. Es steht ja den Handelsbetrieben frei, zusätzlich zur kollektivvertraglichen Erhöhung steuerfreie Prämien auf betrieblicher Ebene zu gewähren", so die Gewerkschafts-Chefverhandlerin Helga Fichtinger in der Aussendung.
Duales Angebot vorgelegt
In der fünften Runde hätten die Arbeitgeber ein duales Angebot mit zwei Varianten vorgelegt: Die erste Variante habe eine Steigerung der Gehälter um 8 Prozent vorgesehen, die sich aus einer Erhöhung der KV-Tafel um 5 Prozent plus einer Prämie von 3 Prozent zusammensetze, heißt es in der Aussendung der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Die zweite Variante beinhaltete die lineare Erhöhung um 7 Prozent. "Die Gewerkschaft hat sich für die lineare Erhöhung entschieden. Das ist aus unserer Sicht bedauerlich, denn das andere Modell hätte unterm Strich mehr gebracht und außerdem aufgrund der Steuerbefreiung einen enormen Nettovorteil für die Arbeitnehmer:innen bedeutet, in vielen Fällen sogar noch heuer. Im Durchschnitt hätte die Prämie rund 1.000 Euro netto betragen", so Arbeitgeber-Chefverhandler Rainer Trefelik in der Aussendung.
Gewerkschaft drohte mit Streiks
Vor der letzten Verhandlungsrunde erhöhte die Gewerkschaft den Druck auf die Arbeitgeber und hatte sich vorsorglich schon eine Streikfreigabe vom ÖGB geholt. Wäre es heute zu keiner Einigung gekommen, wollten die Handelsangestellten am Freitag und Samstag mitten im Weihnachtsgeschäft die Arbeit niederlegen.
Der Handels-KV ist einer der größten Kollektivverträge in Österreich und betrifft rund 430.000 Angestellte und Lehrlinge im Einzel-, Groß- und Kfz-Handel. 70 Prozent aller Beschäftigten im Handel sind Frauen. Mehr als ein Drittel davon arbeitet Teilzeit.
Reaktionen gab es kurz nach Bekanntwerden der Verhandlungsabschlüsse nur wenige. "Der großzügige 7-Prozent-Abschluss wird die Inflation mehr als ausgleichen, wenngleich jeder Euro mehr bei den Personalkosten den Handelsbetrieben in der Substanz fehlen wird", schrieb Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will in einer ersten Stellungnahme.
Dm erhöht geringere Einkommen um bis zu plus 12 %
Kurz nach Abschluss der Verhandlungen gab die Drogeriemarktkette dm per Aussendung bekannt, die Einkommen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Handel und auch in den Friseur- und Kosmetikstudios ab 1. Jänner um mindestens 7 Prozent zu erhöhen. Vor allem geringere Einkommen wolle man erhöhen, hier betrage das Plus bis zu 12 Prozent statt der im KV vorgesehenen 8,7 Prozent, hieß es in der Aussendung. Filialmitarbeiter im Handels-KV erhalten damit laut Aussendung ein Mindestgehalt von 2.000 Euro statt 1.945 Euro (Vollzeit). Auch Lehrlinge sollen bei dm mit bis zu plus 30 Prozent mehr bekommen als ihre Kollegen im Handels-KV. In einem gemeinsamen Schreiben von Geschäftsleitung und Betriebsrat seien die Beschäftigten bereits letzten Freitag über die für 2023 geplanten Erhöhungen von Löhnen und Gehältern im Handel, in den Friseur- und Kosmetikstudios, sowie im Verteilzentrum Enns und in der Salzburger Zentrale informiert worden, heißt es in der Aussendung.