Die Verkaufszahlen am deutschen Automarkt im Jahr 2009 sind herausragend - aber auch trügerisch. Zwar haben staatliche Hilfen wie die Abwrackprämie und die neue Kfz-Steuer die Kunden hierzulande reichlich zum Neuwagenkauf animiert - und damit Schlimmeres für Hersteller, Zulieferer und Händler verhindert.
Doch das positive Bild verschleiert, wie tief die Industrie tatsächlich im Schlamassel sitzt: Die deutschen Hersteller verkaufen gut zwei Drittel ihrer Produktion im Ausland, und der Export bricht 2009 nach den Prognosen des Branchenverbands VDA um 19 % auf 3,36 Mio. Einheiten ein. Zudem stehen Milliardeninvestitionen in neue Technologien an, die der Branche zu schaffen machen dürften.
Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer erwartet 2010 einen Einbruch auch am deutschen Automarkt. Er sagt voraus, dass die Hersteller darauf mit einer wahren Rabattschlacht reagieren werden - was die ohnehin geringen Margen allerdings weiter schmälern dürfte. Fachmann Sascha Heiden vom Wirtschaftsforschungsinstitut Global Insight prognostiziert: "Der Gesamtmarkt wird darniederliegen."
Der VDA versucht zwar, die Zahlen unter dem Hinweis auf den langjährigen Durchschnittsabsatz schönzureden. Er erwartet nach dem Absatzfeuerwerk durch die Umweltprämie aber auch einen Einbruch von mehr als 3,8 Mio. verkauften Neuwagen auf nur noch 2,75 bis 3,0 Mio. im Inland. "Das Jahr 2010 wird die gesamte Automobilindustrie vor enorme Belastungsproben stellen", gibt VDA-Präsident Matthias Wissmann zu.
Im laufenden Jahr wird die Autoproduktion im Inland um 11 % sinken, 2010 werde sie nochmals nachgeben, wenn auch nur noch moderat. Bei der Auslandsproduktion zeichne sich eine ähnliche Entwicklung ab.
Premiummarkt im Aufwind
Da im Jahr der Umweltprämie vor allem Kleinwagen verkauft wurden, brach der Branchenumsatz noch deutlich stärker ein als die Fertigung, nämlich um etwa ein Fünftel. Der Trend zum Kleinwagen wird sich 2010 umkehren, ist der VDA sicher. Manche Importeursmarke spüre nach dem "warmen Regen" der Umweltprämie bereits "eisigen Gegenwind". Wissmann prognostiziert, dass die 2009 gebeutelten deutschen Edelmarken wie Mercedes, Audi oder BMW Boden gut machen werden: "Der Premiummarkt wird 2010 besser abschneiden." Daran glaubt auch Heiden, er betont aber: "Das Vorkrisenniveau wird sicher nicht erreicht."
Bei seiner Hoffnung für die deutschen Hersteller setzt Wissmann auf die Entwicklung großer Märkte wie China, Brasilien oder Indien auf: "In China kommen 17 Autos auf 1.000 Menschen, in Indien 11. Das verspricht enormen Wachstum." Die deutschen Hersteller sollen davon dank ihres guten Rufes und ihrer Technologie besonders stark profitieren, hofft Wissmann.
Doch auch wenn der Präsident des mächtigen Autoverbands nicht müde wird, die technologischen Fortschritte der deutschen Hersteller in höchsten Tönen zu loben - und damit in punkto Sparsamkeit auch die Meinung unabhängiger Experten wiedergibt: Bei der Entwicklung alternativer Antriebe hinken deutsche Hersteller der Konkurrenz etwa aus Japan hinterher. Nicht umsonst hatte Kanzlerin Merkel im September auf der Automesse IAA verkündet, bei einem Autogipfel gemeinsam mit der deutschen Industrie die Weichen für die Zukunft zu stellen: "E-Fahrzeuge haben Zukunft", betonte Merkel und bezeichnete die Batterietechnologie als "Jackpot" der Zukunft.
Das Treffen soll im Frühjahr 2010 stattfinden. "Wir erwarten uns davon Fortschritte auf dem Weg zum Elektrofahrzeug und anderen alternativen Antrieben", betont Wissmann. Elektroautos könnten nur ein Erfolg werden, wenn sie auch länderübergreifend ohne Probleme eingesetzt werden könnten. Um das durchzusetzen, braucht die Industrie die Politik.
Warten auf Elektroautos
Allzu große Hoffnungen auf einen schnellen Erfolg des Elektroantriebs erstickt der VDA-Präsident vorsichtshalber im Keim: "Es sollte nicht der Eindruck entstehen, als ob bereits morgen Elektroautos in Großserie gefertigt und zu Preisen angeboten werden könnten, die denen eines heutigen Fahrzeugs gleicher Größenklasse entsprechen. Bis es so weit ist, sind noch etliche Hürden zu nehmen." Experten sagen voraus, dass Elektroautos erst in bis zu 20 Jahren zum Massenfahrzeug werden und Gewinne abwerfen. "Im Moment stehen Kosten und Nutzen in keinem angemessenen Verhältnis", betont Heiden.
Die Branche steht also vor einem heiklen Dilemma: In den nächsten Jahren müssen Milliarden in neue Technologien investiert werden, gleichzeitig müssen die konventionellen Systeme weiter optimiert werden. Wissmann weiß: "Nur wenn die Nachfrage nach Autos mit klassischen Antrieben hoch bleibt, können die erheblichen Investitionsmittel für die Elektromobilität und weitere alternative Antriebe auch erwirtschaftet werden."