Der US-Autobauer General Motors (GM) überdenkt laut einem Pressebericht noch einmal seine Verkaufsabsicht für die deutsche Opel-Tochter. Wie die Zeitung "Wall Street Journal" auf ihrer Website berichtete, versucht GM jetzt, 4,3 Mrd. Dollar (3 Mrd. Euro) selbst aufzubringen, um Opel behalten und selbst umstrukturieren zu können. Der Alternativplan soll demnach bis Anfang September fertig sein.
Auf Wunsch von GM-Chef Fritz Henderson solle der Plan "bis zur nächsten Sitzung des Verwaltungsrats Anfang September" fertig sein, berichtete das "Wall Street Journal" unter Berufung auf drei Informanten. Henderson habe am Freitag die derzeitigen Optionen vor dem neuen GM-Verwaltungsrat vorgetragen, um dessen Unterstützung für das Angebot des österreichisch-kanadischen Zulieferers Magna zu bekommen, für das die deutsche Bundesregierung eine Kreditbürgschaft von 4,5 Mrd. Euro geben will.
"Der Rat hat den Magna-Deal abgelehnt und darauf hingewiesen, wie stark ein derartiger Verkauf die GM-Strategie in Europa beeinträchtigen würde", heißt es im "Wall Street Journal". Zudem seien "Bedenken hinsichtlich spezifischer Details im Zusammenhang mit der Finanzierungszusage der Bundesregierung" geäußert worden.
Das GM-Management sei aufgefordert worden, die Optionen zu überdenken und weitere Szenarios zur Abwägung vorzubereiten, darunter ein Plan, wie neue Milliarden aufgebracht werden könnten, die es GM erlauben würden, Opel zu behalten. Eine weitere abzuwägende Option, "wenngleich abseitig", sei die mögliche Insolvenz von Opel.
Absolute Kehrtwende
Nach dem monatelangen Tauziehen um die Zukunft von Opel wäre ein Verbleib Opels im US-Mutterkonzern die absolute Kehrtwende. Bei den Verhandlungen um die Rettung von Opel geht es derzeit um eine staatliche Kreditbürgschaft von 4,5 Milliarden Euro, die die deutsche Bundesregierung nur gewähren will, falls ihr Wunschkandidat, der österreichisch-kanadische Zulieferer Magna, den Zuschlag behält. Der GM-Mutterkonzern bevorzugt hingegen den belgischen Finanzinvestor RHJ International (RHJI).
US-Präsident Barack Obama will sich nicht in die Entscheidung über die Opel-Übernahme einschalten, wie sein Sprecher Bill Burton am Ferienort der Familie Obama auf der Insel Martha's Vineyard erläuterte. Obama sei der Ansicht, die Entscheidungen über das Schicksal von Opel müssten bei GM gefällt werden. Obama habe sich "niemals in die Angelegenheiten der Autobauer einmischen wollen", sagte Burton.
Diese müssten selbst wissen, wie sie die Krise überstünden. "Er ist froh, wenn sie ihre Entscheidungen fällen und wieder auf ihre Füße kommen", sagte Burton mit Blick auf GM. Die US-Regierung ist auf Grund der tiefen Krise der amerikanischen Automobilindustrie und nach mehreren staatlichen Finanzspritzen für Autobauer inzwischen Mehrheitseigner bei General Motors in Detroit.
Deutsche Hilfe nur für Magna
Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte am Wochenende mit seiner US-Kollegin Hillary Clinton über die Entscheidung zur Übernahme Opels gesprochen. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) sagte dem Düsseldorfer "Handelsblatt", die Bundesregierung werde für eine Übernahme des Autobauers Opel durch RHJ kein Finanzierungskonzept liefern. "Eine staatliche Überbrückungshilfe bekommt ausschließlich Magna".
Es sei "ärgerlich", dass der GM-Verwaltungsrat bisher keine Entscheidung getroffen habe. "Mein Eindruck ist, dass einige im Management von General Motors deshalb Sympathien für den Finanzinvestor RHJ International haben, weil damit leichter eine Rückkauf von Opel in ein paar Jahren möglich ist", sagte der SPD-Politiker.
Anderen Quellen zufolöge ist General Motors dem Vernehmen nach immer noch offen für einen Verkauf von Opel an Magna. Allerdings wolle der US-Mutterkonzern Garantien, dass die Opel-Technologie nicht in russischen Klein- und Mittelklassewagen zum Einsatz komme, sagte ein mit dem Stand der Gespräche vertrauter Gewährsmann in Detroit. GM befürchte, dass der russische Autobauer GAZ in Konkurrenz zu Chevrolet treten könnte. GAZ ist an dem Konsortium um Magna beteiligt.
Warnung vor Werksschließungen
Der Opel-Betriebsrat warnt vor Werkschließungen in Europa, falls der bisherige Mutterkonzern General Motors doch noch die Kontrolle über die deutsche Tochter behält. "Mit drei Milliarden kann dieses Unternehmen nicht zukunftsgerecht aufgestellt werden", betonte Opel-Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz mit Blick auf Medienberichte über entsprechende Finanzierungspläne von GM.
Dies bedeute Streichungen im Modellangebot und Werkschließungen in Europa, sagte Franz. Nach der monatelangen Hängepartie wäre ein solcher Kurswechsel nach seinen Worten zudem "eine Unverschämtheit von General Motors gegenüber der deutschen Regierung und der Öffentlichkeit".
IG Metall gegen Verbleib bei GM
Die IG Metall hat angesichts der Spekulationen über einen Verbleib des Autobauers Opel beim US-Autokonzern General Motors gleiche Kriterien bei der Konzeptbewertung wie bei den beiden Kaufinteressenten gefordert. Jedes Konzept, auch das der ehemaligen Mutter, müsse darauf geprüft werden, wie viele Arbeitsplätze und Standorte es sichere, sagte IG-Metall-Bezirksleiter Armin Schild im ZDF. Vor diesem Hintergrund sprach sich Schild erneut gegen einen Verbleib von Opel bei GM aus. Das wäre nicht gut für die Arbeitsplätze in Deutschland und Europa, sagte er.
"Wir sind nicht nur angetreten, um die Insolvenz von Opel als Folge der Insolvenz von GM zu verhindern, sondern wir wollen auch mehr Selbstständigkeit, ein eigenständiges europäisches Automobilunternehmen für die Auseinandersetzungen in der Zukunft der Automobilindustrie", sagte Schild, der auch im Opel-Aufsichtsrat sitzt. Er rechne in den nächsten 24 Stunden mit Klarheit darüber, ob GM Opel behalten wolle. Das diese Pläne den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hätten, sei ein Indiz dafür, dass sie möglicherweise verfolgt würden. "Das betrachte ich als schlechtes Zeichen für die Zukunft von Opel", sagte Schild.