Opel: Magna setzt europaweit den Sparstift an

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Beim Autobauer Opel sollen nach einer Übernahme durch Magna in Deutschland mehr Stellen gestrichen werden als bisher öffentlich bekannt war. Nach Angaben eines Magna-Sprechers fallen etwa 4.500 Arbeitsplätze an den deutschen Standorten weg - fast jede fünfte Stelle. Insgesamt sollen in Europa 10.500 Stellen abgebaut werden, geht aus dem Konzept des österreichisch-kanadischen Magna-Konzerns hervor.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel verteidigte erneut das Vorgehen und wies Befürchtungen zurück, dass die EU-Kommission die 4,5 Mrd. Euro Staatshilfen für Opel/Magna nicht billigen könnte. Seit längerem ist bekannt, dass Magna neben etwa 3.000 Jobs in der Produktion auch Arbeitsplätze in der Verwaltung streichen will. Die Zahl für den Verwaltungsbereich - zumindest 1.500, möglicherweise auch 1.590 - war bisher aber offen. Ein Magna- Sprecher sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS), in Europa würden 10.500 Stellen abgebaut, davon 4.500 in Deutschland.

Der Europa-Chef des bisherigen Opel-Mutterkonzerns General Motors (GM), Carl-Peter Forster, sagte zum angepeilten Stellenabbau, dies seien die Zahlen, die im Magna-Konzept genannt würden. "Wir fragen uns derzeit eher, ob wir die Größe der Werke reduzieren oder mehr Fabriken schließen", sagte er der "Welt am Sonntag" (WamS). Das Werk in Bochum sei aber "absolut sicher". Dies sei ein sehr wichtiges Werk.

Opel beschäftigt an den vier deutschen Standorten mehr als 25.000 Mitarbeiter. Magna wurde auch wegen der Arbeitsplatz-Pläne von Bund und Ländern favorisiert. Der IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber forderte in der "Bild am Sonntag" (BamS) die Einhaltung der Jobzusagen: "Magna muss jetzt seine Seriosität unter Beweis stellen."

Abbau schon länger bekannt

Laut deutschem Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg war allen Beteiligten - auch Arbeitnehmervertretern - seit dem Frühjahr bekannt, dass sich der von Magna genannte Stellenabbau nur auf die Produktion beziehe und weiterer Jobabbau in der Verwaltung zu befürchten sei. Den ARD-"Tagesthemen" sagte Guttenberg, was wo eingespart werden solle, habe Magna in den Verhandlungen relativ offen dargestellt. Es geht aus dem Businessplan vom Juli hervor. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sagte der "FAS", der Abbau werde an der Zentrale in Rüsselsheim nicht spurlos vorübergehen - aber in überschaubarem Rahmen und ganz sicher ohne betriebsbedingte Kündigungen.

In anderen EU-Staaten mit Opel-Standorten wurde bereits Unmut über das Vorgehen der deutschen Regierung laut. Nach Angaben des "Spiegel" ist zu befürchten, dass Länder wie Großbritannien, Belgien oder Polen Beschwerde gegen die deutschen Beihilfen einlegen.

Die EU-Kommission habe zudem bei der Prüfung von Unterlagen ein Detail entdeckt, das die Genehmigung gefährden könnte. Danach arbeite das bedrohte Werk in Antwerpen wirtschaftlicher als das in Bochum, das erhalten bleiben soll. Eine solche betriebswirtschaftlich unsinnige Entscheidung sei nach EU-Recht untersagt, wenn der Staat mit Bürgschaften hilft. EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes wurde am Samstag mit den Worten zitiert: "Falls etwas gegen die Regeln läuft, werde ich tätig."

Das Europäische Parlament will am Montag (14. September) über den Verkauf debattieren. Liberalen-Fraktionschef Guy Verhofstadt sagte Reuters, es verstoße gegen EU-Recht, dass ein Staat Finanzhilfen gewähre gegen die Zusage, dass Fabriken in dem Land nicht geschlossen würden. Er habe Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso aufgefordert sicherzustellen, dass durch die deutschen Hilfen GM-Werke in anderen EU-Ländern nicht benachteiligt würden.

Genehmigung für Staatshilfen

Merkel sagte der "Süddeutschen Zeitung", es sei richtig, dass die Garantien, die von Bund und Ländern gegeben werden sollen und an denen sich weitere europäische Staaten beteiligen werden, von Brüssel genehmigt werden müssten. "Eine beihilferechtliche Genehmigung des "Kredit- und Bürgschaftsprogramms", in dessen Rahmen sich die Maßnahmen bewegen sollen, ist von der Kommission allerdings schon gegeben worden." SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier sagte der Zeitschrift "Super Illu", über die 4,5 Mrd. Euro hinaus werde es keine zusätzlichen staatlichen Finanzspritzen geben.

Dirk Pfeil, der Vertreter der deutschen Bundesländer in der Treuhand, bei der die GM-Anteile noch geparkt sind, äußerte dagegen Zweifel, dass die 4,5 Mrd. Euro ausreichen werden. Er kritisierte, der Zuschlag an Magna sei alleine politisch motiviert gewesen, betriebswirtschaftliche Aspekte seien vernachlässigt worden.

Der US-Konzern General Motors will 55 Prozent der Opel-Anteile an Magna/Sberbank verkaufen und 35 Prozent behalten. 10 Prozent können die Mitarbeiter erwerben. Es sind aber noch etliche Hürden zu nehmen. IG-Metall-Chef Huber verlangt von GM, dass die Sperre für wichtige Absatzmärkte für Opel möglichst bald aufgehoben wird. Die Grünen- Spitzenkandidatin Renate Künast hält ein Scheitern des Geschäfts weiterhin für möglich. Sie sagte der "Leipziger Volkszeitung": "Noch ist der Deal nicht in trockenen Tüchern."

Faymann lehnt Subventionen ab

Die Regierung will den Opel-Kauf durch Magna nicht mitsubventionieren. Nach Finanzminister Josef Pröll und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner lehnte auch Bundeskanzler Werner Faymann in der Ö1-Reihe "Im Journal zu Gast" Überlegungen ab, auf diesem Weg das Opel-Werk in Aspern zu retten. Der SPÖ-Chef verwies stattdessen auf die Möglichkeit für Magna, um Staatshaftungen für die Industrie anzusuchen. Dies könne bis zu 300 Millionen Euro ausmachen. Ein Antrag dazu sei aber noch nicht gestellt worden. Außerdem müsste Magna dafür wie jeder andere Konzern auch Kriterien erfüllen.

Dass Magna drohen könnte, das Werk in Aspern zu schließen, wenn es keine zusätzlichen öffentlichen Zuwendungen gibt, glaubt Faymann nicht: "In dieser Konfrontation stehen wir nicht." Er wisse genau, dass "die Verantwortlichen von Magna nicht in so Erpressungskategorien denken".

Vizekanzler Pröll hatte schon in der "Presse" klar gemacht, dass Magna bestenfalls von den Industriehaftungen profitieren könnte. Darüber hinaus gebe es nichts: "Ich habe keinen Anlass, überhaupt darüber nachzudenken. Und ich bin sicher nicht dabei, wenn zwei auf Kosten eines Dritten einen Deal schließen."

Beschäftigte wollen mehr Einfluss

Die Arbeitnehmer wollen bei Einschnitten nur mitziehen, wenn sie mehr Einfluss erhalten. Verlangt werde ein Vetorecht bei Stellenabbau, Produktionsverlagerungen oder Schließungen, sagte der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel der "Welt am Sonntag". Die Belegschaft sei bereit, einen Sanierungsbeitrag von 1,2 bis 1,6 Mrd. Euro in den nächsten fünf Jahren zu erbringen, so Einenkel. Das Geld solle über Lohneinbußen oder Stellenabbau aufgebracht werden: "Dafür verlangen wir ein Vetorecht, was Themen wie Stellenabbau, Verlagerungen von Produktion oder Werksschließungen angeht." Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz kündigte im Deutschlandradio Widerstand gegen eine mögliche Schließung des Werkes Antwerpen an.

Nach Auffassung des Auto-Experten Ferdinand Dudenhöffer ist Opel wettbewerbsfähig. Er widersprach damit dem Opel-Treuhand-Vertreter und Ex-Conti-Chef Manfred Wennemer. Mit dem Insignia zeige Opel die Fähigkeit, sehr wettbewerbsfähige Fahrzeuge zu bauen, sagte Dudenhöffer. Das untermauerten zudem die Verkaufszahlen der Mittelklasse-Fahrzeuge im wichtigsten und härtesten Markt für Mittelklasse-Fahrzeuge in Europa, nämlich Deutschland.

Stefan Bratzel von der Fachhochschule Bergisch-Gladbach machte noch "relativ große Stolpersteine" für Opel aus. Er sagte im NDR, die 35-prozentige Beteiligung von GM bleibe eine "Fußfessel". Er rechne mit einigen Wochen Verhandlungsmarathon. Die nun beschlossene Konstruktion werde eine Zwischenlösung sein, mutmaßte Bratzel. "Ich denke nicht, dass New Opel mit nur 1,5 Millionen verkauften Stück im Jahr im globalen Wettbewerb eine Chance hat."

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