Opel: Treffen zur Lastenverteilung am Dienstag

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Die deutsche Regierung will am Dienstag (15. September) mit den anderen europäischen Ländern mit Opel-Standorten über die Verteilung der staatlichen Finanzhilfen beraten. Das Treffen soll in Berlin stattfinden. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm widersprach Darstellungen, es würden 600 Mio. Euro der deutschen Hilfen zur Modernisierung der russischen Autoindustrie eingesetzt. Es gehe um die Absicherung eines Betrages von 170 Mio. Euro. Darüber solle noch mit Russland und anderen beteiligten Ländern verhandelt werden.

Bei den 170 Mio. Euro geht es um den Betrag, der nach Angaben der deutschen Regierung nach der Übernahme von Opel durch Magna aus dem mit staatlichen Hilfen geretteten Unternehmen nach Russland abfließen könnte. Dies wolle man zum Gegenstand von Verhandlungen machen mit dem Ziel, dass Russland und andere Partner anteilig Risiken übernähmen, sagte Regierungssprecher Wilhelm. Er bezog sich auf Informationen aus Hessen. Dort hatte es geheißen, den 570 Mio. Euro Bruttoinvestitionen binnen fünf Jahren in Russland durch Magna stünden 400 Mio. Einnahmen aus dem russischen Markt gegenüber. Als Saldo blieben 170 Mio. Euro, die auf dem Belastungshöhepunkt des Staatskredits 2010/2011 anfallen könnten.

Noch offen ist aus Sicht des Bundes, wie der von Magna geplante Abbau von 1.500 Stellen in der Opel-Verwaltung europaweit verteilt wird. Die Zusage von Magna, dass die vier deutschen Werke Rüsselsheim, Bochum, Eisenach und Kaiserslautern erhalten bleiben, hat nach Angaben der Bundesregierung Bestand.

Der österreichisch-kanadische Zulieferer Magna und russische Investoren sollen insgesamt 4,5 Mrd. Euro an Krediten und Bürgschaften für die Opel-Übernahme erhalten. EU-Partner fürchten, dass ihre Opel/Vauxhall-Standorte gegenüber den deutschen Werken benachteiligt werden könnten.

Der EU liegen noch keine Zahlen vor

Die EU-Kommission verfügt nach eigenen Angaben über keine Informationen über die Wirtschaftlichkeit von Opel-Standorten in Europa. Das deutsche Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" hatte berichtet, dass das Werk in Antwerpen, das nach der Übernahme durch Magna dichtmachen soll, wirtschaftlicher als jenes in Bochum sei, das nach den Plänen erhalten bleibt. Die Kommission habe keine Vergleichszahlen, betonte ein Sprecher am Montag in Brüssel.

Ein Sprecher von EU-Industriekommissar Günter Verheugen bekräftigte nach einem Treffen des Kommissars mit dem flämischen Ministerpräsidenten Kris Peeters, dass für die Staatsbeihilfen an Opel nur das wirtschaftliche Kriterium zählen dürfe. So dürfte die Beihilfen insbesondere nicht an Standortentscheidungen gekoppelt werden. Verheugen und Peeters hätten ein "informatives und konstruktives Gespräch" geführt, sagte der Sprecher.

Ein Sprecher von Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes sagte, die EU-Kommission habe von den deutschen Behörden noch keinen detaillierten Finanzierungsplan zu Opel erhalten. Die endgültige Vereinbarung sei voraussichtlich erst in den nächsten Wochen zu erwarten. Keine Staatsbeihilfen dürften fließen, bevor die EU-Kommission grünes Licht dazu gegeben habe, betonte der Sprecher. Kroes will am heutigen Montagnachmittag im Europaparlament in Straßburg an einer Debatte zur Opel-Rettung teilnehmen.

Besonders in Belgien wächst die Verärgerung über den deutschen Alleingang bei der Rettung des Autobauers Opel. Außenminister Yves Leterme hatte beim deutschen Wirtschaftsstaatssekretär Bernd Pfaffenbach protestiert, dass Belgien nicht zu einem Treffen an diesem Dienstag eingeladen wurde, bei dem es um die Lastenverteilung bei den öffentlichen Garantien gehen soll.

Deutschland wird EU nichts vorlegen

Die deutsche Bundesregierung will die deutsche Staatshilfe zur Rettung von Opel der EU-Kommission nicht zur Genehmigung vorlegen. "Eine Einzelnotifizierung ist nicht notwendig", sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm in Berlin. Die Garantien in Höhe von mehreren Milliarden Euro sollen aus dem Kredit-und Bürgschaftsprogramm der Bundesregierung kommen. Diesen "Wirtschaftsfonds Deutschland" hatte die EU genehmigt.

Die Hilfen würden in diesem Rahmen gewährt, sagte Wilhelm. Der Sprecher von EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes sagte dagegen, die Kommission bestehe auf einer Prüfung der Staatshilfen. In anderen EU-Ländern mit Opel-Standorten regt sich Widerstand gegen die deutschen Hilfen. Dort wird befürchtet, Deutschland erkaufe sich mit dem Geld von den neuen Opel-Mehrheitseigentümern Magna und Sberbank Arbeitsplätze. Sie machen deshalb in Brüssel Druck, die deutsche Hilfe zu prüfen.

Wilhelm sagte, die Bundesregierung werde ihre Kontakte zur EU-Kommission intensivieren und darlegen, dass das europäische Wettbewerbsrecht eingehalten werde. Wegen der Wirtschaftskrise hatte die Kommission ihre Beihilferegime befristet gelockert. So entfallen im Rahmen des Wirtschaftsfonds Deutschland, der mit 115 Mrd. Euro ausgestattet ist, die Einzelfallprüfungen.

Eine Sprecherin des deutschen Wirtschaftsministeriums sagte, die Entscheidung, die deutschen Opel-Standorte zu erhalten, habe nicht die Bundesregierung getroffen: "Das ist eine Entscheidung von Magna, das war in ihrem Geschäftskonzept." Die Regierung gehe davon aus, dass es sich dabei um wirtschaftliche Erwägungen handle. Der Erhalt der Standorte sei für die Bundesregierung keine Bedingung für eine Finanzierung gewesen.

Zum voraussichtlichen Arbeitsplatzabbau bei Opel sagte Wilhelm, Magna habe schon länger angekündigt, dass zusätzlich zu 10.500 Arbeitsplätzen in der Produktion europaweit 1.500 Stellen in der Verwaltung abgebaut würden. Nicht klar sei allerdings bisher, wo diese Arbeitsplätze wegfallen würden.

Disput um "Russland-Kredit"

Im Streit um den Staatskredit für Opel hat das deutsche Bundesland Hessen der Aussage des Opel-Treuhänders Dirk Pfeil widersprochen, dass rund 600 Mio. Euro nach Russland fließen sollten. Pfeil habe nur die vom Investor Magna geplante Bruttoinvestitionssumme in Russland für die kommenden fünf Jahre genannt, ohne die dort geplanten Einnahmen gegenzurechnen, erklärte der hessische Finanzstaatssekretär Thomas Schäfer. Den 570 Mio. Euro Investitionen stünden 400 Mio. Einnahmen aus dem russischen Markt gegenüber. Als Saldo blieben 170 Mio. Euro, die auf dem Belastungshöhepunkt des Staatskredits 2010/2011 anfallen könnten. Die Zahl von 170 Mio. Euro bestätigte auch Regierungssprecher Wilhelm.

In dieser Causa hat Magna-Chef Siegfried Wolf dem Ländervertreter in der Opel-Treuhand Falschaussagen vorgeworfen. Er wies Angaben von Pfeil zurück, wonach rund 600 Mio. Euro der deutschen Opel-Hilfen nach Russland fließen sollten: "Das ist unrichtig. Die 600 Mio. Euro Investitionsumfang werden vor allem aus dem operativen Cash-Flow aus Russland bezahlt." Allerdings müsse NewOpel eine Unterstützung von 170 Mio. Dollar nach Russland überweisen. Dies habe aber schon längst festgestanden. Wolf wehrte sich vehement gegen Medienberichte, die dem Zulieferer im Verhandlungspoker Lügen vorwarfen. "Magna lügt nicht, das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen."

Wolf: Zahlen waren bekannt

Wolf rechnet in den kommenden ein bis zwei Wochen mit der Unterzeichnung des Vertrags. Der endgültige Abschluss des Geschäfts, der unter anderem noch die Zustimmung von EU-Gremien bedarf, könne bis Mitte oder Ende November erfolgen, sagte Wolf in Frankfurt. "Wir haben immer von 10.500 Stellen in Europa gesprochen, davon sind stark 4.000 Stellen in Deutschland betroffen", sagte Wolf weiter. Diese Zahlen seien seit Ende Mai bekannt. Im Zuge der Übernahme solle nur ein Werk geschlossen werden, nämlich der Standort im belgischen Antwerpen.

Über Sicherheiten für diese aus dem Kredit aufzubringende Summe gebe es aber noch Verhandlungen mit Magna und der russischen Seite, erklärte Schäfer, der zur "Opel-Task-Force" der Regierung zählt. Zu "New Opel" gehöre schließlich auch das Werk im russischen St. Petersburg, so dass es nicht verwunderlich sei, dass ein Teil der Investitionen dort hingehe. "Ich finde es sehr bedauerlich, wenn Herr Pfeil aus internen Geschäftsunterlagen der Treuhand unvollständig zitiert", sagte Schäfer.

Der Insolvenzverwalter und hessische FDP-Politiker Pfeil hatte als Ländervertreter im Opel-Treuhandbeirat moniert, dass rund 600 Mio. Euro aus dem Opel-Kredit zur Modernisierung der russischen Autoindustrie genutzt würden. Gleichzeitig warnte er vor einem Technologieabfluss. Schäfer betonte demgegenüber, dass eine Weitergabe von Opel-Technik nur mit ausdrücklicher Zustimmung von General Motors möglich sei.

Die hessische Landesregierung rechnet nach Schäfers Worten mit einem Übergang der Opel-Anteile auf Magna und seine russischen Partner noch in diesem Jahr. Das sei aus den Äußerungen des GM-Unterhändlers John Smith ersichtlich. Damit gehe die Aufgabe der zur Überbrückung gegründeten Treuhand zu Ende. Die von Bund, Ländern und Alteigentümer GM getragene Einrichtung hält derzeit 65 Prozent der Opel-Aktien, die an die Investoren und zu einem kleineren Teil an die Belegschaft weitergegeben werden sollen.

Warnung vor Einflussnahme

Großbritannien hat unterdessen die EU zu einer sorgfältigen Prüfung der Opel-Übernahme aufgefordert. Die EU-Kommission dürfe in dem Fall keine politische Einflussnahme oder illegale Staatshilfen dulden, sagte Wirtschaftsminister Peter Mandelson der BBC am Montag. Zugleich setzte sich der ehemalige EU-Handelskommissar für den Erhalt der Arbeitsplätze in den Werken des britischen Opel-Schwesterunternehmens Vauxhall ein: Die Fabriken seien hoch effizient, das müsse anerkannt werden.

Bei Vauxhall wird wegen des geplanten Verkaufs von Opel an den österreichisch-kanadischen Autozulieferer Magna mit dem Abbau von mindestens 800 Arbeitsplätzen gerechnet. Nach monatelangem Gezerre zwischen Deutschland und den USA hatte sich General Motors (GM) zum Verkauf von Opel an Magna bereiterklärt. GM will 55 Prozent von Opel an Magna und dessen russischen Partner Sberbank abgeben. Die deutsche Regierung sicherte die Existenz von Opel bereits mit einem Kredit über 1,5 Mrd. Euro und ist bereit, dem Rüsselsheimer Konzern im Falle einer Übernahme weitere drei Mrd. Euro an Garantien zur Verfügung zu stellen.

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