Chefökonom Walter: Deutschland läuft 2010 nur unter "Drogen"

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Die deutsche Konjunktur wird sich nach Einschätzung des wohl bekanntesten Bankvolkswirts Deutschlands im kommenden Jahr weiter stabilisieren. "Sowohl für 2010 als auch 2011 rechne ich mit einem moderaten Wirtschaftswachstum", sagt Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank.

Walter schränkte aber ein, dass das Wachstum weiter auf wackeligen Füßen stehe und noch immer vor allem der sehr expansiven Finanz- und Geldpolitik im In- und Ausland geschuldet sei: "Das Ding läuft nur unter Drogen. Wir sollten nicht annehmen, dass die Drogen ständig verabreicht werden."

Die Investitionstätigkeit der Unternehmen und der private Konsum dürften sich nach Walters Überzeugung 2010 nur schwach entwickeln. Allerdings werde der in diesem Jahr eingebrochene Export wieder um 5 % zulegen, bei staatlichen Infrastrukturprogrammen sei mit einem satten Plus zu rechnen. Eine halbwegs ausgewogene Wachstumsstruktur erwartet Walter erst wieder ab 2011. "Im übernächsten Jahr werden vermutlich alle volkswirtschaftlichen Größen, also auch der private Verbrauch und die Investitionen, zum Wachstum beitragen."

Mit einer konkreten Wachstumsprognose tut sich Walter indes schwer: "Ein Ausblick für 2011 ist alles andere als einfach, da die beiden vorangegangenen Jahre stark von der Finanzpolitik geprägt waren." Auch der Wechselkurs könne entscheidend sein - derzeit scheine das Weiße Haus den schwachen Dollar als ideales Konjunkturpaket zu verstehen. Das Wachstum sollte aber wie auch 2010 moderat ausfallen und zwischen 1 und 2 % liegen.

4,5 Mio. Deutsche ohne Jobs erwartet

Für den deutschen Arbeitsmarkt zeigt sich Walter pessimistischer als viele andere Experten: "Im Verlauf des kommenden Jahres dürfte die Arbeitslosigkeit in Richtung 4,5 Mio. steigen." Die meisten Forschungsinstitute und Bankvolkswirte rechnen hingegen mit einer wesentlich schwächeren Zunahme von aktuell rund 3,4 Mio. auf knapp 4 Mio. Erwerbslose im nächsten Jahr.

Mit Blick auf die sehr angespannte Lage der öffentlichen Haushalte prognostiziert Walter spürbare Ausgabenkürzungen. "Ich denke, dass die Wahrheit in Deutschland deutlicher nach der Wahl in Nordrhein- Westfalen zutage tritt." Dabei erwartet er ein Streichkonzert auf der Ausgabenseite. Denn auf der Einnahmeseite habe der Staat kaum noch Spielraum: "Wie auch andere Länder in Europa ist Deutschland ein Hochsteuer- und Sozialbeitragsland. Da ist nicht mehr viel zu holen." Walter rief die junge Generation dazu auf, sich dagegen zu wehren, dass "sich Deutschland auf ihren Schultern heute eine schöne Zeit macht".

Zum derzeitigen Reizthema zwischen Banken und Wirtschaft - einer drohenden "Kreditklemme" - sagte Walter: "Dieses Thema wird uns vermutlich auch 2010 beschäftigen - allerdings zu Unrecht." Der Grund für das seit Monaten rückläufige Kreditvolumen ist nach seiner Meinung weniger die zögerliche Darlehensvergabe seitens der Kreditinstitute. "Ausschlaggebend ist vielmehr die konjunkturell bedingt schwache Investitionstätigkeit der Unternehmen." Und die dürfte erst wieder 2011 anziehen.

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