Energisch schüttelt Andreas Gebhard den Kopf, seine schulterlangen Locken fliegen ihm um die Ohren. "Es gibt keine digitale Krise", sagt er überzeugt. "Das ist nur ein vorgeschobenes Argument der Popkomm. Wir müssen aufhören, den Kopf in den Sand zu stecken und die Branche endlich wieder auf die Beine stellen." Mit dieser Meinung ist Gebhard, einer der Veranstalter des Musik-Treffs All2gethernow, nicht alleine.
Als Ersatz für die abgesagte Musikmesse Popkomm wurde die All2gethernow ins Leben gerufen. Am Dienstagabend (15.9.) fanden sich Gäste der Musikbranche zur Eröffnungsparty zusammen.
Stephan Rombach von Berlin Music Commission sagt: "Wir befinden uns nicht seit gestern im digitalen Zeitalter." Die Popkomm habe es schlicht versäumt, sich auf das Internet einzustellen. Die internationale Musikmesse fällt dieses Jahr aus. Die Wirtschaftskrise und die Internetpiraterie hätten die Branche schwer geschädigt, sagen die Veranstalter.
2008 gingen die CD-Verkäufe erneut zurück - das ist jetzt schon seit Beginn des Jahrtausends so. Im Vergleich zum Vorjahr fiel der Umsatz um 4,7 Prozent auf 1,57 Mrd. Euro. Die Downloads von Musik aus dem Internet steigen zwar rasant, die Erlöse aus dem digitalen Geschäft können aber die Verluste bei den Tonträgern noch lange nicht auffangen.
Doch das sei gar nicht das wahre Problem, sagen die jungen Musikexperten. "Die alten Formate taugen nichts und die Absage der Popkomm ist dafür ein sichtbares Zeichen", sagt Rombach. In dieser Analyse ist er sich mit vielen jungen Kollegen einig. Neue Lösungen braucht die Branche. Doch wie diese konkret aussehen sollen und was genau das Problem ist, weiß anscheinend niemand genau.
Orientierung für die Zukunft
Die All2gethernow soll bis zu diesem Freitag (18. September) offene Gesprächsrunden, Diskussionen, Konzerte und Partys bieten - und erhofft sich davon eine Orientierung für die Zukunft. Das Problem offenbart sich in den Titeln der Veranstaltungen: "Wofür sind wir bereit zu zahlen? Und wie?", heißt etwa ein Workshop oder "Neue Finanzierungsstrategien für Musik".
Weniger Zwist als sie Popkomm-Macher und All2gethernow-Veranstalter über die Frage der richtigen Musikverwertung pflegen, herrscht über den besten Standort. Berlin hat sich inzwischen als Musikmetropole etabliert.
Neben der Plattenfirma Universal Music, dem Marktführer, haben hunderte kleinere und größere Musikfirmen ihre Niederlassungen in Berlin, die wichtigsten Verbände sitzen auch in der Hauptstadt. Mittlerweile sei es selbstverständlich, mindestens ein Büro in Berlin zu haben, meint auch Gebhard.
Auch die kurzfristig ins Leben gerufene All2gethernow soll nicht wieder verschwinden. Für das kommende Jahr ist eine weitere Musikwoche geplant. Mit der Popkomm zusammen sollen alle Berliner Musikveranstaltungen in einem gemeinsamen Rahmen stattfinden, fordern die Veranstalter.
"Popkomm kann es nicht alleine schaffen", meint Rombach. "Sie muss die anderen Musikveranstaltungen miteinbringen." Gemeinsam will sich die Musikbranche auf den Weg in die Internet-Zukunft machen. Wohin es genau gehen soll, weiß noch keiner.