ÖVP über Vorratsdatenspeicherung "irritiert"

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Der von Infrastrukturministerin Bures in Begutachtung geschickte Gesetzesentwurf zur Vorratsdatenspeicherung sorgt für Verstimmung in der ÖVP. Konkreter Vorwurf: Der Abstimmungsprozess sei nicht abgeschlossen, der Entwurf nicht mit dem Koalitionspartner akkordiert. Man sei "äußerst irritiert", hieß es im Innenministerium. Inhaltlich drohe eine Beeinträchtigung der Polizeiarbeit.

"Wir sind davon ausgegangen, das man hier noch mit uns redet", sagte ein Sprecher von Innenministerin Maria Fekter. Laut Bures würde der Entwurf über weite Strecken die Zustimmung des Koalitionspartners finden. "Das ist einfach nicht so", so der Fekter-Sprecher. Auch im Justizministerium wird kritisiert, dass der vereinbarte Abstimmungsprozess von Bures nicht eingehalten worden sei. Dass der vom Boltzmann-Institut für Menschenrechte ausgearbeitete Entwurf für eine Novelle des Telekomgesetzes jetzt in Begutachtung geschickt wurde, sei "ein bisschen ein Affront".

Im Innenministerium zweifelt man nach einer ersten Sichtung an der Praktikabilität und hegt "schwerste Bedenken", ob der Entwurf den Bedürfnissen der Polizei zur Kriminalitätsbekämpfung entspreche. Kritisiert wird vor allem, dass bei einer Strafandrohung unter einem Jahr Haft kein Zugriff auf gespeicherte Daten erfolgen darf. Dies betreffe etwa Stalking oder den Besitz von kinderpornografischem Material. Auch das Justizressort will "keine Rückschritt bei den bisherigen Möglichkeiten der Kriminalitätsbekämpfung".

Bures sieht keine Beeinträchtigung der Polizeiarbeit

Bures hat ihr Vorgehen unterdessen verteidigt. "Wir haben diesen Entwurf sehr gewissenhaft ausgearbeitet. Dass wir jetzt in Begutachtung gehen, ist im Verfahren vor dem EuGH sehr wichtig", erklärte sie in einer Aussendung. Auch die inhaltliche Kritik ließ sie nicht gelten. Anders als nun von Innen- und Justizministerium behauptet, bedeute der Entwurf keine Beeinträchtigung der Polizeiarbeit. "Tatsächlich werden durch die Umsetzung der EU-Richtlinie die rechtlich zulässigen Möglichkeiten für Polizei und Justiz erweitert", so Bures. Begleitend müsse aber auch die datenschutzrechtliche Kontrolle ausgebaut werden.

Sie habe mit Bedacht eine mit acht Wochen außergewöhnlich lange Begutachtungsfrist gewählt. "Die Zeit der Begutachtung ist dazu da, um die Gespräche mit dem Koalitionspartner und mit allen Interessengruppen weiterzuführen. Ich erwarte hier eine rege Beteiligung der Zivilgesellschaft", so Bures.

Grüne sehen "zwangsweises Persönlichkeitsröntgen"

Die Grünen sind nach wie vor gegen die Umsetzung der von der EU verlangten Vorratsdatenspeicherung und treten dafür ein, dass Österreich ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) riskiert. Infrastrukturministerin Doris Bures (S) und das Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte hätten mit dem entsprechenden Gesetzesentwurf "das Beste versucht", meinte der Grüne Justizsprecher Albert Steinhauser bei einer Pressekonferenz, "aber das Beste ist nicht gut genug: grundrechtswidrig bleibt grundrechtswidrig".

Die EU-Richtlinie aus dem Jahr 2006, die Österreich nun umsetzen will, sieht eine Speicherung von Telekommunikationsdaten auf Vorrat, also ohne konkreten Verdacht, vor. Im Wesentlichen soll sechs Monate lang gespeichert werden, wer, mit wem, wann, wie lange, von wo aus und über welchen Dienst (E-Mail, SMS, Mobil- und Festnetztelefonie, Internettelefonie, Internet) kommuniziert hat. Damit "fischt" man "mit einem engmaschigen Netz" nach den Daten der Bürger, kritisierte die Grüne Infrastruktursprecherin Gabriela Moser. Große kriminelle Organisationen, auf die das Gesetz eigentlich abziele, wüssten aber genau, wie sie die Richtlinie umgehen könnten.

Bures habe sich in ihrem Gesetzesentwurf zwar "im Großen und Ganzen" an die Empfehlungen des Ludwig-Boltzmann-Institutes gehalten, meinte Moser. Die Grünen befürchten allerdings, dass es nicht bei dieser "Minimalvariante" bleiben wird: Der Entwurf sei offensichtlich nicht mit Innenministerin Maria Fekter und Justizministerin Claudia Bandion-Ortner akkordiert, so Steinhauser. Die ÖVP könnte den Entwurf im Nationalrat in letzter Minute durch Änderungen im Sicherheitspolizeigesetz und der Strafprozessordnung "überfallsartig" verschärfen, vermutet der Grüne Abgeordnete.

Enorme Kosten für Provider und Steuerzahler

Nichtsdestotrotz sind die Grünen aber grundsätzlich gegen das "zwangsweise Persönlichkeitsröntgen" der Bürger. Neben enormen Kosten für die Provider und die Steuerzahler handle es sich bei der Vorratsdatenspeicherung um einen Eingriff in die Privatsphäre und eine Verletzung des Grundrechts auf Datenschutz. Weiters bestehe auch Missbrauchsgefahr, betonte Steinhauser.

Österreich solle die Richtlinie deshalb nicht umsetzen und es auf ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission vor dem EuGH ankommen lassen. Erst wenn der EuGH zugunsten der EU entscheide, könne man den derzeitigen Entwurf diskutieren. Die Kommission hat den ersten Schritt dazu schon getan und Österreich geklagt, derzeit handelt es sich laut Steinhauser aber erst um ein Mahnverfahren.

Optimistisch stimmt die Grünen auch die Oppositionsblockade im Zusammenhang mit der Weigerung der Regierung, ehemalige und amtierende Minister in den Spionage-Untersuchungsausschuss zu laden: Die Vorratsdatenspeicherung beinhaltet teilweise Verfassungsbestimmungen, die eine Zweidrittelmehrheit und damit die Zustimmung mindestens einer Oppositionspartei benötigen. Abgesehen davon, dass auch BZÖ und FPÖ grundsätzlich gegen die Vorratsdatenspeicherung sind, hat die Opposition vergangene Woche einen Pakt geschlossen, zumindest bis Ende März keinen Verfassungsmaterien zuzustimmen.

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