Nach Schuldenschnitt

EU gibt Hilfspaket für Athen teilweise frei

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Nach dem Schuldenschnitt werden Kreditausfallversicherungen ausgelöst.

Griechenland erreicht trotz der großen Beteiligung privater Gläubiger an einem freiwilligen Anleihenaustausch nicht den geplanten Schuldenschnitt in Höhe von 107 Milliarden Euro. "Es fehlen sieben Milliarden Euro", sagte Finanzminister Evangelos Venizelos am Freitag. An die Privatgläubiger gerichtet, die sich an dem freiwilligen Anleihentausch nicht beteiligen wollen, sagte der Minister, es sei "naiv" zu glauben, sie könnten ihr gesamtes investiertes Geld zurückerhalten. Die Gläubiger, die soeben mit großer Mehrheit dem Schuldenschnitt zugestimmt haben, müssen mit Abschlägen von mehr als 70 Prozent rechnen.

Brüssel gibt 1. Tranche frei
Die Euro-Finanzminister haben unterdessen das zweite Hilfspaket für das pleitebedrohte Griechenland zum Teil freigegeben. Bei einer Telefonkonferenz einigten sie sich am Freitag darauf, dass 30 Mrd. Euro zur Unterstützung des Schuldenschnitts plus 5,5 Mrd. Euro für die Begleichung aufgelaufener Zinsen nun bereit stehen. Das teilte Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker mit, ohne Zahlen zu nennen. Das Rettungspaket umfasst insgesamt 130 Mrd. Euro. Eine endgültige Entscheidung über das Gesamtpaket soll dem Vernehmen nach Anfang kommender Woche in Brüssel fallen.

Zuvor hatte das griechische Finanzministerium bekanntgegeben, dass im Zuge des Schuldenschnitts eine Zusage zum Umtausch von insgesamt 83,5 Prozent der griechischen Staatsanleihen in privater Hand vorliegt - bei den nach griechischem Recht aufgenommenen Schulden sind es demnach 85,8 Prozent. Mit dem Anleihentausch soll erreicht werden, dass sich auch private Gläubiger an den Kosten
der Krisenbewältigung in Griechenland beteiligen.

Umschuldungsklausel wird genutzt
Die griechische Regierung will nun die Umschuldungsklauseln (CAC) aktivieren, die es ihr erlauben würden, weitere Gläubiger mit Anleihen nach griechischem Recht zur Teilnahme an der Aktion zu zwingen. Bei einer Kabinettssitzung in Athen wurde am Freitag nach Angaben aus Regierungskreisen beschlossen, dafür die erst im Februar geschaffenen neuen gesetzlichen Möglichkeiten zu nutzen.

Die Teilnahme an dem Anleihentausch würde damit laut Athen auf 95,7 Prozent steigen. Eine Entscheidung über eine Aktivierung der Umschuldungsklauseln muss Athen aber gemeinsam mit seinen Partnern der Eurozone treffen.

Die Privatgläubiger, die Anleihen besitzen, die nicht nach griechischem Recht ausgegeben wurden, können sich nach Angaben von Venizelos bis 23. März entscheiden, wie sie verfahren wollen.

Kreditausfallversicherungen werden ausgelöst 
Nach dem griechischen Schuldenschnitt werden die schwer berechenbaren Kreditausfallversicherungen fällig. Der Branchenverband ISDA stellte ein sogenanntes Kreditereignis fest, wie die Organisation am Freitagabend auf ihrer Website mitteilte. Mit diesem Begriff ist ein Zahlungsausfall gemeint, der die Kreditausfallversicherungen (Collective Default Swaps/CDS) auslöst, mit denen sich bestimmte Halter von griechischen Staatsanleihen abgesichert haben.

Die Entscheidung der in London ansässigen International Swaps and Derivatives Association (ISDA) ist von großer Bedeutung, weil die Kreditausfallversicherungen während der letzten großen Finanzkrise eine entscheidende Rolle gespielt haben. Nachdem CDS-Titel bei der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008 zu einem kolossalen Dominoeffekt und zur Beinah-Pleite des großen US-Versicherers AIG geführt hatten, sind ihre Auswirkungen gefürchtet.

Bei den Plänen zur griechischen Umschuldung war bisher alles daran gesetzt worden, dass Kreditausfallversicherungen nicht fällig werden. Es ist aber unklar, welche Folgen die ISDA-Entscheidung nun tatsächlich hat, da niemand weiß, welcher Investor nun Kreditausfallversicherungen besitzt und welche weiteren Effekte eintreten können.
 

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Ein Rückblick auf die Schuldenkrise in Griechenland seit dem ersten Hilfsprogramm im Mai 2010:

2010:

2. Mai: Die griechische Regierung unterzeichnet ein milliardenschweres Rettungsabkommen mit der EU und dem IWF. Griechenland muss dafür binnen drei Jahren zusätzliche 30 Mrd. Euro einsparen. Das Paket stellt die erste Rettungsaktion für ein Mitglied der Euro-Zone dar.

4./5. Mai: Der öffentliche Dienst streikt landesweit für 48 Stunden. Drei Menschen sterben, als eine Bank in Brand gesteckt wird.

10. Mai: Weltweite Entscheidungsträger spannen ein Notfall-Sicherheitsnetz in Höhe von einer Billion Dollar (aktuell 755 Mrd. Euro) auf, um die internationalen Finanzmärkte aufzufangen und die Krise abzuschwächen. Das Netz beinhaltet 440 Mrd. Euro in Garantien von den Ländern der Euro-Zone. Der IWF steuert 250 Mrd. Euro bei. Zusätzlich beginnt die Europäische Zentralbank (EZB) mit dem Kauf griechischer Staatsanleihen an den Finanzmärkten. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Währungsunion, dass die EZB Staatspapiere eines Euro-Landes aufkauft. Mit der Aktion verschafft die EZB den Griechen etwas Luft und Zeit. Wegen der möglichen Gefahren dieser Geldpolitik kommt es zu einer Zerreißprobe innerhalb des EZB-Rats. Vor allem die Bundesbank sieht den Schritt kritisch.

 7. Juli: Das griechische Parlament verabschiedet eine Pensionsreform und erhöht das Pensionsalter für Frauen auf 65 Jahre.

 2011:

23. Mai: Griechenland kündigt an, bis 2015 50 Mrd. Euro durch Privatisierungen einzusammeln.

13. Juni: Die Ratingagentur S&P stuft Griechenland auf die damals weltweit niedrigste Bonität herab, auf CCC von B.

17. Juni:
Ministerpräsident Giorgos Papandreou bildet sein Kabinett um. Er benennt seinen Parteirivalen Evangelos Venizelos zum Finanzminister.

29. Juni: Papandreou gewinnt eine Parlamentsmehrheit für das fünfjährige Sparprogramm und sichert dadurch die Auszahlung weiterer Tranchen.

21. Juli:
Die Euro-Zone stimmt einem zweiten Rettungspaket in Höhe von weiteren rund 110 Mrd. Euro. Private Gläubiger sollen sich bis Mitte 2014 mit etwa 50 Mrd. Euro beteiligen.

21. Oktober:
Griechenland stimmt weiteren Sparmaßnahmen zu. In Athen gibt es gewaltsame Proteste sowie einen Generalstreik.

27. Oktober: 
Die Euro-Zone erhöht das Hilfspaket auf geschätzte 130 Mrd. Euro. Private Banken und Versicherer sollen einen Verlust von 50 Prozent ihrer Griechenland-Anleihen akzeptieren. Diese Zahl steigt in den folgenden Verhandlungen auf 74 Prozent.

31. Oktober
: Papandreou kündigt ein Referendum über das jüngste Rettungspaket an, ohne sich vorher mit den Regierungschefs der Euro-Zone beraten zu haben. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel teilen Papandreou mit, dass Athen keine weitere Hilfen erhält, bis das Parlament den Verpflichtungen gegenüber der Euro-Zone zustimmt.

4. November: Nach großem Druck durch die europäischen Regierungschefs werden die Referendumspläne fallengelassen.

5. November: Papandreou übersteht eine parlamentarische Vertrauensabstimmung und vermeidet vorgezogene Neuwahlen.

6. November:
Papandreou einigt sich mit der Opposition, eine Koalition zu bilden.

10. November:
Lukas Papademos, ehemaliger Vize-Präsident der EZB, wird zum neuen Regierungschef bestimmt.

24. November:
Der IWF begrüßt ein Schreiben des konservativen Parteichefs Antonis Samaras, in dem er den Rettungsplan befürwortet.

6. Dezember:
Bei Protesten in Athen kommt es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Einige Menschen werden verletzt und 38 Personen werden verhaftet.

7. Dezember:
Die neue Koalition verabschiedet den Sparhaushalt für 2012. Das Haushaltsdefizit soll auf 5,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts reduziert werden.

2012:

6. Februar: Merkel fordert Griechenland dazu auf, sich mit der Zustimmung zum neuen EU/IWF-Rettungsplan zu beeilen.

9. Februar: Nach wiederholten Verzögerungen und nächtelangen Gesprächen zwischen den griechischen Koalitionsparteien, Vertretern der EU und des IWF wird eine Einigung erzielt. Die Arbeitslosigkeit in Griechenland steigt auf 20,9 Prozent.

12. Februar: Das griechische Parlament stimmt dem Sparpaket nach zehnstündiger Debatte zu. Tausende protestieren in Athen.

15. Februar: Die Regierungsparteien verpflichten sich schriftlich, die Sparmaßnahmen durchzusetzen. Das Kabinett stimmt Maßnahmen zu, um weitere 325 Mio. Euro einzusparen.

20./21. Februar: Die Finanzminister der Euro-Zone stimmen nach 13-stündigen Verhandlungen dem Rettungsplan in Höhe von 130 Mrd. Euro zu. Es werden Maßnahmen beschlossen, um die griechischen Schulden bis 2020 auf 120,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu reduzieren.

7. März: Eine Gruppe von Banken und Fonds, die 40,8 Prozent von Griechenlands 206 Mrd. Euro ausstehenden Schulden vertritt, sagt, sie stimme dem griechischen Angebot für einen Anleihentausch zu. Die EU und der IWF machen eine erfolgreichen Anleihentausch zu einer Vorbedingung für die endgültige Zustimmung zum Rettungspaket.

9. März: Griechenland gibt bekannt, dass sich 85,8 Prozent der privaten Gläubiger an dem Anleihe-Tausch beteiligen.
 

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