Synthetische Flugtreibstoffe etwa aus erneuerbaren Energien allein werden nicht ausreichen, um den Flugverkehr künftig klimagerecht zu machen.
Dazu wird es zusätzlicher Maßnahmen wie weniger Flüge, Kostenwahrheit bei den Ticketpreisen und wohl auch einer Kerosinbesteuerung bedürfen. Darin waren sich Fachleute von außerhalb der Luftfahrtbranche am Donnerstag bei einer Fachtagung einig.
Seitens des Klimaschutzministeriums bezeichnete die Leiterin der für Luftverkehr zuständigen Abteilung Strategie und Internationales, Antonia Hatler, erneuerbare Biotreibstoffe, vor allem synthetische, als die wesentlichste Komponente zur CO2-Emissionsvermeidung. Zweitens gehe es um Effizienzsteigerungen und neue Technologien bis hin zu Wasserstoff und vielleicht auch einmal Solar, drittens um das "große Kostenthema", also Steuern, marktbasierte Maßnahmen wie den Emissionshandel und die Ticket-Abgabe-Diskussion. Über allem stehe der heimische Mobilitätsmasterplan, der auf "Verkehr vermeiden, verlagern, verbessern" abziele.
Faire Preise
Es sollte zur Kostenwahrheit auf faire Ticketpreise geachtet und dieses Thema europaweit diskutiert werden, sagte Hatler bei der virtuellen Tagung des Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Erst durch die Billigairlines habe der Flugverkehr so stark zugelegt, "zum Beispiel ist ein Wochenende in Barcelona nur durch die Billigflieger möglich geworden", meinte Stefan Grebe, Experte für Mobilität und Transport beim niederländischen Berater CE Delft. Preismaßnahmen werden aus seiner Sicht aber nur zum Teil wirken können, weil man damit "die Reichen oder Geschäftsreisen" nicht treffe. Helfen würden hier nur exponentiell steigende Preise - je öfter jemand im Jahr fliegt umso teurer wird es.
Der Schlüssel für alle Branchen, auch den Luftverkehr, sei es, den Energieverbrauch zu senken, meinte Martin Cames vom Öko-Institut in Berlin. Das bedeute seltener und kürzer fliegen, also den Bedarf und die Nachfrage zu vermindern, aber auch die Effizienz zu erhöhen. Unter Umständen seien synthetische Treibstoffe zu ineffizient - jedenfalls sollte man sie nicht für Pkw einsetzen, wo man auch batteriebetrieben fahren könne, was in der Luftfahrt nicht möglich sei. Mit Gas oder Atomkraft könne man keine nachhaltigen E-Fuels erzeugen, sondern nur mit erneuerbaren Energien, die Potenziale seien durchaus da, so Cames. Auch außerhalb Europas könnte man synthetischen Sprit erzeugen, etwa im nordafrikanischen oder arabischen Raum und einen Handel ermöglichen.
Klimaschonendes Fliegen schwierig
Cames verwies darauf, dass derzeit nicht einmal die gesamte weltweit installierte Erneuerbaren-Stromerzeugung ausreichen würde, um den Flugtreibstoffbedarf zu produzieren. "Luft- und Seeverkehr liegen über den heutigen Möglichkeiten." Gleichwohl werde das künftig möglich sein, weil die Prognosen für die Erneuerbaren-Erzeugung hinaufgehen. Bei entsprechenden Anreizen könnte das klappen, so der Experte vom deutschen Öko-Institut.
2020 wären für eine komplette Abdeckung der Luftfahrt mit E-Fuels 8,7 Petawattstunden (8.700 Terawattstunden) Strom nötig gewesen, so Cames, samt dem Schiffsverkehr rund 15 PWh. Bis 2050 wäre mit einem Strombedarf von 16 bis 23 PWh für die Luftfahrt zu rechnen, samt Schiffsverkehr mit 22 bis 32 TWh. Denn, so Cames, "die Reise geht natürlich weiter aufwärts. Im Worst Case könnte der Kraftstoffverbrauch zwei- bis dreimal so hoch wie heute sein". Zum Vergleich: Der gesamte Stromverbrauch Österreichs lag im Coronajahr 2020 bei rund 70 TWh, also 0,07 PWh.
Im Jahr 2050 könnte ein Achtel des Stroms in Europa für E-Fuel aufgehen, meinte Silke Bölts, Aviation Policy Officer beim Business-Netzwerk Transport & Environment (T&E) in Berlin - aber nur, wenn es gelinge, den Luftverkehr zu reduzieren, der im Frachtbereich noch stärker wächst als im Personenverkehr. Ansonsten wäre es ein Viertel, sagte sie. Daher sollte man sich einen ganzen Katalog an Maßnahmen überlegen. Denn trotz aller Einschnitte - Ölkrise, Golfkrieg, 9/11, Finanzkrise - sei der Luftverkehr immer weiter gewachsen. Es sollte Kerosin besteuert werden, auch wenn das EU-weit durch das Einstimmigkeitsprinzip schwierig ist, es sollte das Emission Trade System (ETS) ohne Gratiszuteilungen ausgeweitet und auf die Gestaltung privater Reisen eingewirkt werden.
Bölts vermutet, dass sich das Flug-Freizeitverhalten aufgrund eines "neuen Zeitgeists" auf dem Niveau von 2015 einpendeln wird. Übergeordnete Leitlinien für ein Demand Management müsse aber die Politik setzen, "damit die Verantwortung nicht auf jede einzelne Person abgewälzt wird".