Fernsehen bis zum Abwinken im Ramadan

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Wer sich dieser Tage durch die endlosen Staus auf den Überführungen und Durchgangsstraßen von Kairo quält, dem lächeln die fröhlichen Gesichter ägyptischer Filmstars entgegen. Auf riesigen Plakatwänden werben der grau melierte Beau Jehia al-Facharani für den Sender Dream TV und dessen Serie "Ibn al-Arandali" (El-Arandalis Sohn), die Geschichte eines verschlagen-korrupten Anwalts, und die Welt-Damen Magda Zaky und May Kassab für Moga Comedy und "Karima Karima".

Daneben stehen Superlativ-Parolen wie: "Exklusiv bei uns!" oder "Nirgendwo anders, nur hier!" Damit wird auch dem letzten Stau-Geschädigten klar: Ramadan naht, der islamische Fastenmonat, und das bedeutet Fernsehen bis zum Abwinken. Dabei ist der heilige Monat, der in den meisten arabischen Ländern voraussichtlich an 22. August beginnt, eigentlich eine Zeit der Besinnung. Gläubige Muslime verzichten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang aufs Essen, Trinken und Rauchen.

Sie lesen häufiger als sonst im Koran, der heiligen Schrift, deren erste Worte dem Propheten Mohammed eben im Ramadan offenbart wurden. Sie gehen öfter, und vor allem nachts, zum Gebet in die Moschee. Doch im Zeitalter der globalen Konsumkultur hat der Einkehrmonat auch eine andere Seite. Wer sich's leisten kann, zelebriert üppige Festmahle zum allabendlichen Fastenbrechen (Iftar) im Familien- und Freundeskreis. Je opulenter und kostbarer die Speisenfolge, desto größer die Bewunderung für die Gastgeber. Die Zeitungen drucken lange Ratgeber-Seiten, wie man in dieser Zeit richtig fastet und Verfettung und Herzbelastungen vermeidet.

Das Fernsehen ist das Hauptvergnügen für die Zeit zwischen dem Iftar und dem Frühstück (Sahur) vor dem Morgengrauen. Die Sender buhlen vor allem mit ihren neuesten Serien und mit neuen Staffeln ihrer letzten Straßenfeger um die Gunst der Zuschauer. Zwischen staatlichen, per Zimmerantenne empfangbaren Sendern und privaten Satelliten-Kanälen besteht kaum mehr ein Unterschied. "In diesem Jahr erleben wir eine noch nie gesehene Zuspitzung des Quotenkampfes", stellte der Publizistik-Professor Hassan Abul Anein in der Zeitung "Gulfnews" (Dubai) fest. Manche Sender verdienen in diesem Monat bis zu 40 Prozent ihrer jährlichen Werbeeinnahmen.

Im Bereich der Produktion läuft Syrien der alten arabischen Film-Großmacht Ägypten zunehmend den Rang ab. Die syrische Serie "Bab al-Hara" (Das Stadt-Tor) geht in diesem Jahr in ihre vierte Staffel und erfreut sich ungebrochener Beliebtheit. Ihre komplizierten Familien-Intrigen entfalten sich im Damaszener Milieu der 1930er-Jahre, wobei auch der Untergrund-Kampf gegen die Kolonialmächte anklingt. Die Serie bediene das nostalgische Bedürfnis nach den "guten, alten Zeiten", meinte ein syrischer Fernsehkritiker, in denen "die Familienväter noch Patriarchen und die Frauen noch unterwürfig waren".

Als Stoff für Ramadan-Serien taugt aber letztlich alles, was die Menschen zwischen Casablanca und Bagdad interessiert. Verfilmt werden mehr oder weniger verklärte Geschichtsepisoden ebenso wie die Biografien von herausragenden politischen Führern und von Unterhaltungsstars der frühen Zeiten. Auch Gegenwarts-Szenarien kommen gut an, wenn sie jedermann vertraute Probleme wie die allgegenwärtige Korruption, die Willkür der Behörden oder die Charakterschwächen der Mitmenschen aufspießen.

Die Stars dieser TV-Produktionen machen dabei große Kasse. So soll Al-Facharani für die eindringliche Gestaltung der Rolle des Winkeladvokaten in "El-Arandalis Sohn" eine Gage von 8 Mio. Pfund (1,022 Mio. Euro) erhalten, schrieben ägyptische Medien. Dafür singt er aber auch im Vorspann ein Duett mit der libanesischen Popsängerin Nancy Ajram, die wegen ihres knappen Gewands und schmachtenden Gesangs in der Region als Sex-Symbol verehrt wird.

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